Freitag, 29. Juni 2018

Neulich im Sanitätshaus

Wir hatten noch etwas im örtlichen Sanitätshaus zu tun. Nach dem Überreichen der ärztlichen Verordnung hielt man uns direkt einen Zettel unter die Nase, welcher zu unterschreiben sei. Ohne diese Unterschrift ginge jetzt gar nichts mehr und man könne sich alles Weitere ersparen.

Es war zu bestätigen, daß man damit einverstanden sei, daß die erforderlichen Daten im dortigen PC erfasst werden. Stichwort Datenschutzgrundverordnung.

Die mich begleitenden zweitbeste Ehefrau von allen lachte hysterisch-verzweifelt.

„Jau, kenne ich, ich bin auch selbständig.“

Kommentar der Verkäuferin:

„Habe ich mir gedacht. Alle, die hier hysterisch-verzweifelt lachen, wenn ich ihnen den Zettel zur Unterschrift vorlege, sind selbständig.“

Der Wahnsinn hat Methode.




Mittwoch, 27. Juni 2018

Kurz vor dem Massaker

Es gibt im Zug ja immer diese Idioten, welche eine gewisse Freude daran haben, das Schließen der Türen zu blockieren. Im 15.10 Uhr-Zug gab es gerade auch wieder solche Spaßvögel.

Aus irgendwelchen Gründen sind die heute von einigen Mitreisenden fast massakriert worden.

Und weiter geht es zum Lerchenberg. Mit der Kettensäge. Benzinbetrieben. Mit extra rostigem Blatt.

Aus Gründen.




Dienstag, 26. Juni 2018

Planung und so

Hmmm, meine Blog-Planung bis Ende des Monats ist so ausgelegt, daß ein zu erwartendes Ereignis auch tatsächlich bis Ende des Monats eingetreten sein wird.

So langsam bekomme ich Zweifel, daß dieser Termin zu halten ist.

Gut für euch, es sorgt am Ende für mehr Lesestoff.

Trotzdem: Ich hasse es, wenn ein Plan nicht funktioniert.




Montag, 25. Juni 2018

Schlag auf Schlag

Nachdem ich irgendwelche unserer braunen Lesemappen unter das Volk gebracht hatte, schlenderte ich den Gang diesseits von Indien zurück in Richtung meines Büros. Die meisten Türen standen offen, was durchaus nicht zwangsläufig Gesprächsbereitschaft signalisiert, sondern die Politik des Hauses darstellt, nach der die Kollegen sich nicht voneinander abzuschotten haben. Geschlossene Türen signalisieren bei Führungskräften ein Ich will gerade nicht gestört werden und ist eingeschränkt zulässig. Bei den untergeordneten Mitarbeitern jedoch wird dies nur toleriert, wenn die Vermeidung von wehenden Winden nicht etwa aufgrund akuter Magen-Darm-Probleme, sondern vielmehr aufgrund geöffneter Fenster geltend gemacht werden.

Es gibt Phasen, in denen sehr viele Winde bei uns wehen.

Habe ich meine Tür weisungsgemäß geöffnet, schaue ich auf von mir angebrachte Schild mit den bekannten Worten „DON’T PANIC!“,*) welche Frau Schubert wohlwollend als moralische Unterstützung während der monatelangen schwierigen Phase interpretiert hat. Bei geschlossener Tür jedoch zeigt sich meine dann zumeist akute Befindlichkeit in Form eines Kotzsmileys.

Rebeccas Tür stand offen, und wie so oft, wenn ich unseren Gang von Frl. Hasenclevers Kemenate aus in Richtung der Höhe im Schicksalsberg zurückmarschierte, wurde ich auch dieses Mal von dem einen oder anderen Kollegen zwecks Unterstützung bei einer Problemlösung vom rechten Weg abgebracht und in das jeweilige Büro umdirigiert. So auch von Rebecca. Das ist das Los eines Seniorsachbearbeiters.

Ich bemerkte, daß Rebecca ziemlich gereizt war. Sie hatte sich über verschiedene Dinge geärgert. Als – na ja, so tief im Inneren – hin und wieder – gelegentlich mal – nicht zu oft - mitfühlender Kollege nahm ich meine Erkenntnis zum Anlass, mit vollem körperlichen Einsatz als erster Blitzableiter zu fungieren. Wie auch seinerzeit Frl. Hasenclever bot ich Rebecca an, welche einen Job als Türsteher auch nur wegen ihrer großen Klappe und nicht gerade aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung erhalten würde, mir auf den Oberarm boxen zu dürfen. BÄÄÄM!!! Ganz im Gegensatz zu Frl. Hasenclever seinerzeit nahm die halbe Portion sofort von dem Angebot Gebrauch.

Und ebenfalls ganz im Gegensatz zu Frl. Hasenclever schlug dieser Dreikäsehoch mit voller Wucht zu. Jetzt darf ich der zweitbesten Ehefrau von allen bestimmt wieder erklären, wie ich an den blauen Fleck gekommen bin.

Na ja, im Gegensatz zu den meisten Blessuren weiß ich dieses Mal wenigstens, woher die stammt.


*) Das Schild wurde von mir aktuell mit der Darstellung eines Typen in einem Hamsterrad überdeckt.




Freitag, 22. Juni 2018

Altes Mobiliar

Man erinnere sich an meinen alten Wildledersessel. Ist ja noch nicht so lange her, daß ich ihn ausgemustert und davon erzählt habe, also sollte das noch funktionieren. Also das mit dem Erinnern. Hoffe ich doch.

Zur Abholung des Sperrmülls habe ich ihn dann auch am Tag zuvor rausgebracht. Normalerweise kommt hier die bulgarisch-polnische Sperrmüllmafia mit selbstfahrendem Sperrmüll schrottreifen Kleinlastern vor der Abholung fast im Stundentakt vorbei und plündert, was immer es auch aus den zur Abholung bereitstehenden Dingen zu plündern ist. Das ist zwar illegal, stört mich aber – von den nervenden LKW-Motoren mal abgesehen – auch nicht weiter. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn die alten Sachen aufgearbeitet und wiederverwendet werden.

Meinen Sessel wollten noch nicht mal die haben.

Ich bin durchaus ein wenig betrübt.



Dienstag, 19. Juni 2018

Fragen fragen

Wieso werde ich an meinem ersten Tag im Büro von allen möglichen Leuten gefragt, ob ich denn wirklich und wahrhaftig wieder ganz gesund sei?

Misstrauische Bande, elende.


Montag, 18. Juni 2018

Kreise und Geraden

Habe mir vorhin die Wettervorhersage für die nächsten 14 Tage angesehen. Es wird ein Auf und Nieder zwischen 21 und 32 Grad. Alles innerhalb weniger Tage.

Tschüß Kreislauf.

Hoffentlich funktioniert dann wenigstens der Geradeauslauf noch. Anders wäre nämlich richtig schlecht.


PS: Die Azubinette hat heute Abschlussprüfung. Daumen drücken; ich will die behalten. Aber ich glaube, die muß sich nach dem Ergebnis der schriftlichen Prüfung in der mündlichen nur noch hinsetzen und ihren Namen nennen, dann hat sie schon bestanden. Aber sie ist ehrgeizig, einfach nur bestehen reicht ihr nicht. Auch nicht verkehrt.





Sonntag, 17. Juni 2018

Wetten, daß..?

Aktuell komme ich nicht daran vorbei festzustellen, daß man in Russland Fußball spielt. Der Herr Hausverwalter hat an seinem Balkon eine Deutschlandfahne platziert. Das macht er immer nur, wenn irgendwo aus wichtigen Gründen das Leder gekickt wird.

Ich habe mich hinreißen lassen und eine Wette platziert. Man will ja kein Spaßverderber sein.


Finale Niederlande gegen Italien, Sieg für die Niederlande.


Wenn ich gewinne, gibt es eine Mörderquote. Drückt mir die Daumen, daß es gut geht. Ich gebe dann auch einen aus.




Samstag, 16. Juni 2018

Lilly on the monster

Nach so viel nervenzerfetzender Schwarzwaldklinik gibt es mal etwas Katzencontent, um wieder runterzukommen.

Ich präsentiere: Möchtegernchefkatze Lilly auf dem Monster






Augenblicke vorher hat sie noch gegähnt.Wäre ein cooles Foto geworden. Leider war ich nicht schnell genug, obwohl die Fotomaschine schon im Anschlag war. Denn kurz zuvor sah das noch so aus:






Das war übrigens für geraume Zeit ihre Schlafposition.






Freitag, 15. Juni 2018

Vorstellungen - Epilog

Mein Hausarzt zieht mich montags noch für weitere anderthalb Wochen aus dem Verkehr. Danach soll ich es ruhig angehen lassen. Ich lächele nur müde. Regulär erwartet mich direkt am ersten Tag Vollvertretung für Frl. Hasenclever, die Betreuung Herrn Harnischfegers und der Azubinetten, meine Sonderaufgabe und die weitere Einarbeitung von Ludwig in das Gebiet der Abgabenerhebung. Alles gleichzeitig und zusätzlich zu meinen eigentlichen Aufgaben als Sachbearbeiter und die zeitnahe Aufarbeitung des, was während meiner Abwesenheit liegen geblieben ist.

Auch legt mein Arzt mir nahe, eine Reha anzutreten. Meine Begeisterung hält sich in allerengsten Grenzen. An der See wäre es schön, ich bin ja so ein heimliches Nordlicht. Aber weg von zu Hause ist nicht mein Ding. Ich brauche meine gewohnte Umgebung.

Die weiteren Therapieerfolge zur Lungenentzündung und auch zur Schlafapnoe werden von einem Lungenfacharzt überwacht.

Ich teile Frl. Hasenclever den Sachstand mit und weise ausdrücklich darauf hin, daß ich erst mal mit angezogener Bremse arbeiten muß. Mal sehen, was sie draus macht.

Wie es mit der Schlafapnoe, zweitbesten Ehefrau von allen und auch meiner Schwiegermutter weitergeht, steht zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Eintrages am 04.06.2018 noch nicht fest. Doch das werden wieder andere Geschichten, die zu gegebener Zeit erzählt werden. Oder auch nicht. Ich habe da so meine Vorstellungen.

Machen wir einfach das, was man im Krankenhaus zuerst lernt, wenn man es nicht schon kann: Abwarten. Und gerne einen Tee dazu trinken. Mit Kandis und Milch.




Donnerstag, 14. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 9 - Großkampftag

Um vier Uhr werde ich wie üblich wach, befreie mich selbst von Maske und Gurtzeug und sehe dem Tag entgegen.  Ein Gewitter zieht auf, ich sehe es am Horizont über den zum Krankenhaus gehörenden Wald leuchten. Dort ist das Neustädter Ländchen. Später erfahre ich von der zweitbesten Ehefrau von allen, daß das Gewitter genau dort niedergegangen ist und sie drei Katzen gleichzeitig im Bett zu betutteln hatte. Dabei sind zumindest Smilla und Lilly bei normalen Gewittern eher ruhig. Scheint also heftiger gewesen zu sein.

Ich benötige nun dringend Ersatzkleidung. Wenn ich nicht heute entlassen werde, habe ich nichts mehr zur Verfügung. Die zweitbeste Ehefrau von allen fährt bis Sonntagabend nach Hannover, so daß ich keinen Lieferservice aus der Außenwelt habe. Was jetzt kommt, muß im Zweifel bis Montag reichen. Geplant ist, daß die zweitbeste Ehefrau von allen hier kurz aufschlägt, mir meine Sachen bringt, dann zu ihrer Mutter weiterfährt und von dort schließlich in Begleitung einer ihrer Schülerinnen und Freundin nach Hannover aufbricht.

Ich lauere wieder auf den besten Zeitpunkt für die Dusche. Da ich nicht genau weiß, wann was mit mir gemacht werden soll, muß dies aufgrund von Erfahrungswerten bestimmt sein. Nicht zu früh, um die umliegenden Zimmerbewohner nicht zu stören und die Nachtschwester nicht aus der Ruhe zu bringen, aber auch nicht zu spät, um spätere Abläufe nicht durcheinander geraten zu lassen. Also warte ich ab, bis das Flurlicht eingeschaltet wird. Nachtschwester Betty bereitet mir noch ein heißes Öhrchen, dann bin ich was sie betrifft erst mal durch. Ich nutze die Gelegenheit und den Umstand, daß während der Schichtübergabe wohl niemand etwas von mir will und dusche heiß und anhaltend, bis das heiße Wasser zur Neige geht.

Ich ziehe mir das rote T-Shirt an und schleiche zur Trinkwasserversorgung. Von hinten höre ich eine Stimme.

„Hübsches T-Shirt, Herr Paterfelis. So schön rot.“

Nachtschwester Betty war dabei, ihren zweiten Nachtdienst in Folge zu beenden. Ich drehe mich zu ihr um.

„Extra für Sie, Schwester Betty. Sie sollen mich doch in guter Erinnerung behalten.“

„In allerbester, Herr Paterfelis. Nur in allerbester.“

Gruß an den Hasen, und dann ab ins Bett. Ich in meines und sie vermutlich in ihres.

Kaum wieder in der Koje befindlich, erhalte ich von der Frühschicht die nächste Infusion. Nach dem Frühstück ruft die zweitbeste Ehefrau von allen an. Sie mache sich jetzt auf den Weg, ob ich die Tasche unten auf dem Parkplatz im Empfang nehmen könne, weil ihr der Fuß gerade wieder ziemliche Schmerzen bereitet. Nö, kann ich nicht. Die Visite ist unterwegs, da sollte man tunlichst auf dem Zimmer sein. Als die zweitbeste Ehefrau von allen ihre Ankunft vermeldet, findet die Visite bereits im Nachbarzimmer statt. Sie muß mir die Tasche selbst raufbringen. Die Tasche wird abgeliefert; ich parke sie erst mal gegenüber des Bettes. Mal sehen, ob ich sie eher ein- als auspacken muß.

Der junge Stationsarzt hält die Visite dieses Mal alleine ab. Er trägt seinen Visite-Kittel, der mir etwas zu groß geraten scheint. Bei der großen Visite vor zwei Tagen standen er, die Oberärztin und ein weiterer Stationsarzt im gefälligen Blau vor mir. Sonst sieht man ihn anschließend auch nur im blauen Arbeits-Oberteil. Zunächst geht es an Herrn Fleische. Er wird heute entlassen, seine Werte haben sich verbessert. Gegen Mittag wird der Pflegedienst ihn abholen und in sein Heim zurückbringen. Erst im Dezember muß er wieder hier vorstellig werden. Darauf eine Zigarette. Oder auch zwei oder drei.

Auch bei mir scheint eine Entlassung möglich, man muß die Ergebnisse des heutigen Tages noch abwarten. Bereits gestern wurde angekündigt, daß für mich heute nochmal Großkampftag sein wird. Noch während der Visite erscheint ein weiterer Arzt in modischem Blau. Er sei als Schlaf-Therapeut im Haus zuständig für die Schlafapnoe-Patienten. Die Auswertung hat ergeben, daß mein Schlaf mit der Schlafmaske deutlich besser sei. Mir wird das Gerät per Verordnung mitgegeben. In den nächsten Tagen wird sich jemand bei mir melden, welcher das Gerät vorbeibringt und entsprechend einstellt. Mal sehen was Frl. Hasenclever sagt, wenn ich erkläre, daß ich in den letzten Monaten und Jahren stets nur unausgeschlafen gearbeitet habe und die Post jetzt erst mal so richtig abgehen wird. Ok, nicht übertreiben und schon mal vorsorglich keine Erwartungshaltungen wecken. Sicher ist sicher.

Nach der Visite schaut der Stationsarzt nochmal rein, dieses Mal ohne Kittel, was ihm durchaus besser steht, und nimmt mir Blut aus der Arterie ab. Auf der linken Seite hat er die Vene getroffen, also neuer Versuch am rechten Handgelenk. Immer schön auf der Innenseite. Der Schmerz ist stärker als bei einer normalen Blutabnahme, aber durchaus erträglich. Kaum ist die Sache erledigt, werde ich im Rollstuhl zu einem Lungenfunktionstest gebracht.  Ein zartes weibliches Persönchen schiebt mich durch die Gegend, obwohl ich voll mobil bin. Mir ist das mehr als unangenehm. Was tut man nicht alles, um nicht zu einem Versicherungsschaden zu führen.

Der Lungenfunktionstest ist eine interessante Sache. Vorher gibt es noch ein heißes Öhrchen. Meine Werte sind gut, mein Lungenvolumen liegt mit bei 117 % dessen, was angeblich für mein Alter und bei meiner Körpergröße als normal angesehen wird. Im Entlassungsbericht wird aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen mit 108 % ein anderer Wert angegeben, aber immer noch mehr als zu erwarten ist. Sportlertyp eben, ich sage es ja immer. Man möge mir diese Vorstellung gönnen. Tatsächlich weiß ich aber schon seit dem 16. Lebensjahr, daß ich ein großes Lungenvolumen habe. Im Biologieunterricht hatten wir mal mit der ganzen Klasse einen entsprechenden Test gemacht. Mit damals etwas über sieben Litern lag ich mit Abstand vor allen anderen Klassenkameraden. Auch deutlich vor dem einzigen körperlich noch größeren.

Die Laune der Belegschaft ist weiterhin hervorragend, soweit ich das mitbekomme. Meine eigene gute Laune hat sich die ganze Zeit über auch gehalten.

Wieder auf der Station, bekomme ich ein heißes Öhrchen auf der anderen Seite. Ich sitze auf meinem Bett im Schneidersitz, lese und warte. Herr Fleische testet so lange draußen die Luft und aromatisiert diese ganz nach Bedarf durch die Darbietung von Rauchopfern.

Eine Schwester erscheint und fragt, ob mir schon Blut abgenommen wurde. In meiner Vorstellung macht sich ein inneres Grinsen breit. Da sitze ich, habe die bekannten Blutabnahmetamponagen an beiden Ohrläppchen sowie an beiden Handgelenken, schaue sie entgeistert und frage, welche Stelle sie denn wohl meine. Sie hätte gerne venöses Blut aus der Armbeuge. Gut, das hatten wir seit meiner Aufnahmeuntersuchung nicht mehr. Ich gestatte ihr, sich reichlich zu bedienen. Sie macht von dem Angebot Gebrauch, ein fünfter Verband bzw. mit Pflastern befestigter Tampon ziert mich nun.

Das Mittagessen hält, was der Speiseplan versprochen hat. Gedünsteter Lachs und Gemüsenudeln. Die Menge an Fisch ist wirklich ordentlich, und auch an den Nudeln gibt es nichts zu meckern. Nicht al dente, aber auch nicht verkocht oder gar vermatscht. Ich finde im Fisch noch nicht mal eine Gräte. Mehr Ansprüche habe ich nicht an eine Großküche.

Der Stationsarzt erscheint nochmal. Man warte noch auf ein Ergebnis. Meine Werte sind zwar noch im Grenzbereich, aber auf der richtigen Seite der Grenze. Die Sauerstoffsättigung des Blutes könnte nach wie vor besser sein, ist aber akzeptabel. In der Nacht geht mehr als üblich verloren, ich bin jetzt bei 95 %. Wenn der letzte Laborwert wie erwartet auch ordentlich ist, darf ich gehen. Ob ich wisse, wie ich nach Hause komme. Ich muß mal sehen, bis Montag steht mir niemand von draußen helfend zur Verfügung. Kein Problem, ich erhalte einen Taxischein. Alles Weitere läuft dann über den Hausarzt.

Eine halbe Stunde später bringt mir eine Krankenschwester die Kündigung die Entlassungspapiere. Ich lese den provisorischen Arztbrief und erfahre, daß es doch eine Lungenentzündung war, die mich lahmgelegt hatte. Die zweitbeste Ehefrau von allen und Frl. Hasenclever werden per WhatsApp über die Lage informiert. Ich packe meine Tasche und gehe zum „Stützpunkt“, früher als Schwesternzimmer bezeichnet. Dort melde ich mich ab, frage nach der Kaffeekasse, hinterlasse einen nicht allzu kleinen Schein und bekunde daß ich mich in der dortigen Obhut sehr wohl gefühlt habe. Später rechne ich mal nach: In der Frühschicht zwei Personen, Spätschicht eine und in der Nacht ebenfalls eine, das alles hochgerechnet auf die Zeit meiner tatsächlichen Anwesenheit auf der Station ergibt theoretisch etwas mehr als einen Euro pro Pflegekraft und Einsatzschicht. Stationshilfen und Co sind da noch nicht mal mit berücksichtigt. Wenig genug für das, was dort mit bemerkenswerter Stimmung geleistet wird.

Das Personal hier ist so jung. Den Hausdrachen und eine weitere Schwester würde ich auf Mitte Vierzig schätzen, die Oberärztin der Station auf Ende Dreißig, die Oberärztin in der Notaufnahme wohl wieder eher auf Mitte vierzig. Alle anderen, sowohl Pflegekräfte als auch Ärzte,  werden die Dreißig wohl in ihren Vorstellungen noch als zukünftige Perspektive ihrer Lebensgestaltung betrachten.

Unten am Empfang lasse ich mir ein Taxi holen. Es ist das zweite Mal in meinem Leben, daß ich in Deutschland mit einem Taxi fahre. Zuletzt war das in den frühen Neunzigern im Rahmen der Teilnahme an einer Tagung der Fall. Es regnet. Das Taxi fährt vor. In meiner Vorstellung nimmt mir der Fahrer meine Taschen ab, aber ich irre. So werfe meine Sachen auf die Rückbank und lasse mich in den Ledersitz neben den Fahrer gleiten. Wir fahren in einem Mercedes. Interessante Erfahrung. Alleine die Innenausstattung ist vermutlich teurer als der Zeitwert des guten alten Balduin. Egal, ich brauche das alles nicht. Im Mercedes fühle ich mich nicht wohl. Ein Auto ist ein Gebrauchsgegenstand, basta. Mir genügt unser alter Koreaner. Und der nächste wird auch nicht besser werden, selbst wenn ich das Geld für ein höherwertiges Auto hätte.

Zur weiteren Orientierung gebe ich dem Taxifahrer die Zieladresse vor: Neustädter Ländchen, Kirschgartenweg 17b. Eine nicht allzuweite Strecke. Der Fahrer zeigt sich irritiert. "Dafür bekommen Sie einen Taxischein? Ich denke, die bekommt man für weite Strecken, nach Hamburg oder so."

Ich weiß jetzt nicht, wieso er ausgerechnet auf Hamburg kommt, hunderte von Kilometern weg von hier. Ich muß nach Hause und habe keine andere zweckdienliche Transportmöglichkeit. Gut, ich könnte mit dem Bus fahren, einmal umsteigen und den Rest bergauf laufen. Aber ich bin nicht sicher, daß das gerade Sinn der Sache ist. Schließlich bin ich nicht auskuriert und durchaus noch etwas schlapp. Und wenn mir ein Taxi zusteht, dann nehme ich es. Ganz einfach. Wieso mache ich mir eigentlich Gedanken darüber?

Ich erkläre es dem Taxifahrer.

"Bekommt man immer einen Taxischein, wenn man im Krankenhaus war? Wenn ich im Krankenhaus war, habe ich nie einen bekommen. Oder muß man da stationär gewesen sein?"

Ich teile ihm mit, daß ich diese Details nicht wisse und bin genervt. Schon überlege ich, ob der Typ sich gerade um sein Trinkgeld geredet hat.

"Wollen Sie nicht lieber selbst bezahlen? Sie müssen doch bestimmt zuzahlen, da lohnt sich das doch gar nicht."

Nein, ich will nicht selbst bezahlen. Die weitere Fahrt verläuft aber in guter Atmosphäre. Außerdem bin ich ein wenig von Sascha Brors beeinflusst, wie ich zugeben muß.

Der Taxifahrer hält vor der Haustür. Ein Blick auf das Taxameter zeigt mir an, daß dies eine 15 Euro-Tour war. Mit einem Einzelfahrschein per Bus - den ich nicht hätte zahlen müssen, da ich ja ohnehin ein Dauerticket habe - hätte der Spaß vier Euro gekostet, schon im Idealfall eine halbe Stunde länger gebraucht und einen gewissen Fußweg in Anspruch genommen. Im strömenden Regen. Nur mal so rein akademisch und somit rein wertfrei betrachtet.Ich fülle den Taxischein aus, gebe fünf Euro Trinkgeld und denke nochmal darüber nach, daß dieses Trinkgeld eigentlich in keinem Verhältnis zu dem steht, was ich oben auf dem Berg in der Klinik gelassen habe. Dort war es ein Zwanziger, verteilt auf viele Köpfe.

Zu Hause werde ich von Marty und Lilly begrüßt. Ich entledige mich meiner tropfnassen Jacke, begrüße die noch ausstehende Smilla. Es sieht wild zu Hause aus. Die ordnende Hand hat gefehlt, und durch den Einweisung ihrer Mutter ins Krankenhaus hat die zweitbeste Ehefrau von allen noch weniger Zeit gehabt, hier etwas Ordnung reinzubringen. Die Katzen wurden für die Zeit bis Montag versorgt, die Katzenklos sind entsprechend frisch gereinigt. Alles kein Problem, das halten die Kleinen locker aus.

Aufgrund der Witterung war die Wohnung in den letzten Tag vermutlich licht- und luftdicht verrammelt. Ich ziehe überall die Rollos hoch und sorge für Frischluft. Die Küche ist soweit sauber, es steht kein dreckiges Geschirr herum. Gut. Meine Tasche schleppe ich direkt zum Waschmaschinenraum und werfe die erste Wäsche an. Wieder oben angekommen räume ich ein paar Sachen zusammen, nehme mir etwas zu trinken, reaktiviere die Eiswürfelmaschine und setzte mich zum ersten Mal seit dem Aussteigen aus dem Taxi hin.

Ich bin wieder zu Hause. Ohne eine einzige Panikattacke.

Samstag hätte es im Krankenhaus Maultaschen in einer Kräutersauce gegeben, Sonntag Rindergulasch. Darüber werde ich wegkommen. Könnte ich mir jedenfalls vorstellen.



Mittwoch, 13. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 8 - Die Goldene Hochzeit

Die Nacht verlief erstaunlich gut. Morgens sehne mich erneut nach einer Dusche und frischer Kleidung. Ich muß warten, bis mich die Morgenschwester aus dem  Gurtzeug befreit. Meine Zimmergenossen kommen auch langsam zur Besinnung und erzählen von der Nacht. Dabei stellen sie fest, daß wohl nur der Herr Paterfelis von alledem nichts mitbekommen hätte und in aller Ruhe geschlafen habe. Triumphierend halte ich meine Ohrenstöpsel nach oben. Spiel, Satz und Sieg Paterfelis.

Es ist Feiertag. Die Goldene Hochzeit meiner Schwiegereltern steht an. Die zweitbeste Ehefrau von allen war gestern mit ihren Mädels beim Inder essen. Zum Tanzen hatte man keine große Lust. Heute werde sie endlich mal wieder richtig ausschlafen, kurz bei mir vorbeischauen und dann abends beim Chinamann aufschlagen.

Ich bin bereits geduscht und warte auf das Frühstück, als das Smartphone klingelt. Die zweitbeste Ehefrau von allen wird als Anrufer angezeigt. Viel zu früh für ihre Verhältnisse. Dies gilt umso mehr, als daß sie ja ausschlafen wollte.  Es besteht also Grund zur Besorgnis.  Sie teilt mir mit, daß ihre Mutter unter starken Schmerzen leide. Sie ist gesundheitlich dauerhaft sehr angeschlagen. Ihr Vater habe sich bei ihr gemeldet, meine Angetraute soll ihre Mutter wieder zur Besinnung bringen. Sie habe stärkere Schmerzen als sonst und habe ihn gebeten jemanden aus dem Bekanntenkreis, welcher noch stärkere Schmerzmittel nimmt als sie es bereits permanent macht, danach zu fragen, ob er welche erübrigen kann. Ärztliche Versorgung wünsche sie nicht. Meine Angetraute habe danach bei ihrer Mutter angerufen, diese konnte sich aber kaum noch verständlich artikulieren. Anschließend habe sie ihren Vater dazu verdonnert, gefälligst jetzt sofort und auf der Stelle den Notarzt zu verständigen, egal was ihre Mutter davon halten würde. Jetzt fahre sie zu ihren Eltern und werde sich irgendwann melden.  Ich teile ihr mit, daß sie meine Eltern ruhig zu einem Besuch bei mir vorbeibringen soll, dann sind sie wenigstens aus dem Weg und beschäftigt.

Später erfahre ich, daß meine Schwiegermutter in ein Krankenhaus gebracht wurde, jedoch nicht in dieses, in dem ich mich gerade aufhalte. Es wäre ja auch zu einfach gewesen. Meine Eltern werden mittags wieder abreisen, die Feierlichkeiten zur Goldenen Hochzeit sind abgesagt – sowohl für heute im engsten Kreis als auch für das Wochenende, an dem es mit Verwandten, Freunden, Bekannten und was da sonst noch alles kreucht und fleucht in die Hauptrunde gehen sollte. Es wird ein langer Tag für die zweitbeste Ehefrau von allen, denn ein solcher Krankenhausaufenthalt meiner Schwiegermutter ist organisatorisch, physisch und psychisch auch für die nur am Rande Beteiligten eine deutlich größere Herausforderung als es dies im Zusammenhang mit mir jemals war. Erläutern möchte ich dies hier und jetzt nicht weiter. Es darf sich jeder seine eigenen Vorstellungen machen und noch eine Schippe drauflegen.

Herr Reinmann wird aus dem Krankenhaus entlassen und sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Nachbarbett wird für den Rest der Woche leer bleiben. Herr Fleische tut das, was die meisten Lungenpatienten auf der Station machen: Er verschwindet mit seinem mobilen Sauerstoffgerät nach draußen und raucht. Wie ich zu anderer Gelegenheit feststelle, bleibt das Gerät während der Zeit des Rauchens in der Rückentasche seines für längere Strecken zu nutzenden Rollstuhls. Er aktiviert es erst, nachdem alle Zigaretten verschwunden sind. Immerhin.

Vor der zum Haus gehörenden Kapelle findet der Feiertagsgottesdienst statt. Mir wird bewusst, daß ich beim letzten Mal auch zu Fronleichnam den Service dieses Krankenhauses nutzen konnte. Zwei Mal ist Zufall, beim dritten Mal werde ich anfangen, bestimmte Vorstellungen zu entwickeln und eine Verschwörungstheorie erarbeiten.

Mittags gibt es Linseneintopf mit Kichererbsen und Hühnerfleisch. Sehr gut abgeschmeckt; ich bin zufrieden.

Der Hausdrache hat Dienst. Sie macht ihrem Namen alle Ehre und faltet Herrn Fleische, der in vielen Dingen seines Lebens im allgemeinen und seines Daseins im Krankenhaus im besonderen eher uneinsichtig ist, nach Strich und Faden zusammen. Mir gegenüber ist sie höflich aber sehr bestimmt. Kein Fehler soweit. Ich würde sie gerne mal im Clinch gegen unseren Herrn Geschäftsführer erleben. Meine Wette würde auf den Hausdrachen laufen.

Ein Arzt erscheint und erklärt mir, daß ich an Schlafapnoe leide. Während 42 % der Schlafphase setzte meine Atmung aus oder war zu flach. Die Sauerstoffsättigung um Blut zeigt unterirdische Werte. Man werde mir in der kommenden Nacht eine Schlafmaske verabreichen und den Schlaf erneut überwachen. Das Gerät wird bereits auf meinen Nachtschrank gestellt und mir erläutert. Der Verbindungsschlauch hat eine beeindruckende Länge. Wir machen einen Testlauf von etwa 15 Minuten Dauer. Ich komme zurecht. Die eigentliche Atemmaske besteht aus einem Teil, welches meine Nasenöffnungen vollständig umfasst und mit einem Band an meinem Kopf befestigt wird. Über die Maske wird Luft zugeführt. Ich muß gegen den Luftstrom anatmen. Dadurch bleiben die Atemwege der Nase offen und bewirkt, daß das nächtliche Atmen ausschließlich über diesen Weg erfolgt. Der Mund öffnet sich gar nicht erst, Schnarchen ist ausgeschlossen. Das Gefühl ist seltsam, aber man kann sich daran gewöhnen. Den Versuch, mit irgendjemandem zu reden, während man die Maske trägt, sollte man tunlichst unterlassen. Es wäre zwecklos. Alleine schon das Öffnen des Mundes würde zu einem Effekt führen welcher an einen Schlag gegen die Nase erinnert. Nicht schön.

Gegen 18 Uhr erscheint die zweitbeste Ehefrau von allen sichtlich angeschlagen vom Tag. Wir verbringen die Zeit draußen. Sie besorgt sich ihr Frühstück aus dem Krankenhaus-Cafe. Der Tag war für sie die Hölle. Ich werde über die Lage ihrer Mutter informiert, soweit überhaupt schon Erkenntnisse vorliegen. Viele sind es nicht. Mir fröstelt ein wenig, so daß wir wieder ins Haus gehen. Der Hausdrache erscheint und gibt mir eine Infusion. Später werden die zweitbeste Ehefrau und ich uns wieder nach draußen setzen.

Nachtschwester Betty taucht bei Schichtübernahme auf. Sie erläutert mir, daß sie mir gleich nochmal das Kontrollgerät anlegen wird. Ich bin tatsächlich begeistert, denn endlich weiß ich etwas schon vorher. Der Informationsfluss hat mich eingeholt.

Später bemüht sie sich, mir wieder dieses Geschirr und ein vom gestrigen etwas abweichendes Gerät anzulegen, welches zwischen den Maskenschlauch angebracht werden soll. Sie ist etwas überfordert, das habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gemacht. Nun zückt sie ihr Telefon und ruft nach dem Hasen. Der Hase soll kommen und ihr beistehen. Selbiger Hase entpuppt sich als Pfleger Michael, seines Zeichens ihr Ehemann und der technisch beauftragte Pfleger aus der Nacht zuvor. Gemeinsam schaffen sie es, mich anzuschließen.

Der Hase meint noch „Guck mal, Schatz ein gelbes T-Shirt. Du hasst doch Gelb.“

„Ja, aber ich werde darüber hinwegsehen.“

Ich mache Schwester Betty das Angebot, mein T-Shirt zu wechseln. Im Schrank befänden sich noch ein Graues und ein Rotes. Dazu müssen sie mich nur wieder von dem ganzen Zeug befreien.

Sie wiederholt ihre Ablehnung.

Das Atmen mit der Maske erzeugt eine Art Rauschgeräusch in meinem Kopf. Ein Effekt, welcher durch das Tragen der Ohrenstöpsel sicherlich verstärkt wird. Er erweist sich nicht als besonders störend. Ich kann mit der Maske ganz ordentlich schlafen und mich mit der Vorstellung anfreunden, dies auch zu Hause so zu tun, soweit es erforderlich wird. Gut.




Dienstag, 12. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 7 - Erkenntnisse

Ich wache auf. Tatsächlich habe ich dank meiner Ohrenstöpsel schlafen können. Mein eigener Geruch ist mir selbst unerträglich. Zu viel Stoff bedeckt mich. Zu Hause schlafe ich ganzjährig mit einer Bekleidung, in der ich noch nicht mal mit einer Idealfigur die Tür öffnen würde. Hin und wieder gibt es ein Bettlaken oben drauf, im Winter auch mal zusätzlich eine Wolldecke und fertig. Im Krankenhaus lässt sich das kaum umsetzen, sollte man doch ein Mindestmaß an Anstand wahren wollen. Ich warte ab, bis mir die Schwester den nächsten Tropf wieder entfernt hat und schmeiße mich unter die Dusche. Ein wesentlicher Schritt zur Menschwerdung ist in meiner Vorstellung damit vollbracht.

Ich muß inhalieren, Sauerstoff atmen, immer wieder eine Infusion über mich ergehen lassen. Passt schon, so bin ich beschäftigt, wenn ich gerade nicht lesen möchte. Mit meinen Zimmergenossen verstehe ich mich soweit gut. Herr Fleische redet zwar oft und schwer verständlich, wenn er gerade stört, ist aber nicht zu aufdringlich. Auch Herr Reinmann ist dahingehend gut erträglich.

Herr Reinmann flaxt kurz mit der Krankenschwester über den im Zimmer aufgestellten Fernseher. Der dürfte wohl seine fünfzig  Jahre auf dem Buckel haben. Die Schwester entgegnet mit todernstem Blick, daß in diesem Haus, welches wohl auch fünfzig Jahre alt sei, schlichtweg alles fünfzig Jahre alt sein müsse, da es wohl noch nie renoviert worden sei. Ich bin geneigt, ihrer Vermutung zuzustimmen und freue mich darüber, daß ich im gleichen Alter befindlich durchaus einige Renovierungen hinter mir habe.

Den Aufbau meines Laptops kann ich vergessen. Es war beim letzten Krankenhausaufenthalt ganz angenehm, ihn dabei zu haben, insbesondere natürlich für die Berichterstattung im Blog, aber hier fehlt es massiv an Steckdosen. Zu viele Extrageräte verlangen nach Stromzufuhr. Alle Steckdosen sind belegt. Ich habe mein Smartphone, das genügt. Damit gehe ich aber eher selten ins Internet. Es ist mir einfach zu unkomfortabel und zu klein. Die Augen lassen schließlich auch irgendwann mal nach.  Aber die Kommunikation zur Außenwelt steht. Fernseher und Telefon werden für mich nicht angemeldet, die Dinger benötige ich nicht. Ich melde mich bei meinen Eltern und teile mit, daß ich wohl kaum an den Feierlichkeiten zur Goldenen Hochzeit der Schwiegereltern teilnehmen werde. Meine Eltern äußern die Vorstellung, daß sie betreffend nun alles abgesagt wird, denn meine Familie ist nicht sehr feier- und besuchsfreudig. Und dies erst recht nicht, wenn es mit einer Übernachtung außerhalb der eigenen vier Wände verbunden ist.  Zumindest da weiß ich, woher ich es habe.

Ich hoffe, daß niemand auf den Gedanken kommt, mich hier zu besuchen. Immerhin werden meine Eltern ab morgen für den Rest der Woche in der Nähe sein, denn der bloße Krankenausaufenthalt des Schwiegersohnes ist mit Sicherheit für meine Schwiegereltern kein Grund, irgendwelche Feiern abzusagen. Finde ich auch ganz in Ordnung so. Ich mag keine Krankenhausbesuche. Der Besucher hat ohnehin keinen Bock da drauf, und für mich ist es auch keine Ablenkung. Man kann sich nicht vernünftig unterhalten und wartet dem Grunde nach nur darauf, daß die Zeit herum ist und man sich wieder verabschieden kann. Schon als Kind konnte ich mich gut alleine beschäftigen und kann es heute auch noch.

Die zweitbeste Ehefrau von allen zeigt sich eher verzweifelt, muß sie doch am Donnerstag alleine mit Eltern und Schwiegereltern zum Chinamann. Das Fünkchen Hoffnung besteht in Yvonne, Schwiegermutters Freundin, welcher wir bekanntlich im Vorfeld von der erbetenen Anwesenheit auf der Hauptfeier befreien und auf den Donnerstag umlegen konnten.

Die ärztliche Visite findet statt. Die Oberärztin, der junge Stationsarzt und ein weiterer Medizinmann halten sie ab. Alle sind sehr freundlich. Die Oberärztin erklärt mir dies und das. Schließlich fragt sie mich, ob ich rauche. Ich verneine. Ob ich denn früher mal geraucht habe. Wiederum verneine ich.

„Och nö, Herr Paterfelis, dann haben wir mit Ihnen ja nicht viel zu tun. Sie sind die rühmliche Ausnahme hier auf der Station.“

Ich war schon immer etwas anders.

Mittags gab es Reis mit einem Curry. Das Essen ist besser gewürzt als früher. Ein Eindruck, der sich halten wird.

Nachmittags erklärt mir die Krankenschwester, daß ich, wie ich ja schon wisse… Nein, weiß ich nicht. Da hat wohl jemand vergessen, mir etwas in detaillierterer Form mitzuteilen. Dies wird sich für den Rest des Tages noch wiederholen. Der nächste, der ein Gespräch, an dem ich beteiligt bin, mit den Worten „Wie Sie ja schon wissen…“ beginnt, bekommt auf die Glocke. Abweichungen aber inhaltsgleiche Aussagen zählen genauso.

Also gut, wie ich weiß, werde ich aufgrund des Verdachts der Schlafapnoe in der Nacht an ein Gerät angeschlossen, welches meinen Schlaf aufzeichnet. Die Nachtschwester wird dieses Gerät gegen 22.00 Uhr anschließen. Es soll mindestens acht Stunden laufen. Mein üblicher Schlafrhythmus ist etwas abweichend. Ich bin gespannt. Herr Reinmann erzählt, daß er das Gerät mit der Schlafmaske am Vorabend tragen musste, aber nach etwa fünf Minuten unter der Maske Panik bekommen hatte. Ich sehe der Sache mit positivem Interesse entgegen. Aber das ist die Geschichte von morgen, heute wird erst mal nur gemessen.

Ich selbst unternehme kleinere Spaziergänge ohne die mobile Sauerstoffversorgung. Es gibt Patienten, die brauchen den Sauerstoff, und es gibt Patienten, die brauchen den Sauerstoff. Es mangelt an genügend Geräten für alle. Und ich bin niemals lange unterwegs, denn schließlich wird mein Typ in unregelmäßigen Abständen verlangt. Sei es für eine neue Infusion oder mal wieder für eine Blutabnahme vom heißen Öhrchen.

Zur Vorbereitung einer solchen Blutabnahme wird das Ohrläppchen mit einer durchblutungsfördernden Flüssigkeit oder einem entsprechenden Gel versehen. Fällt der schützende „Verband“ ab, sollte er dort wo er ist liegen bleiben, bis die Schwester ihn entfernt. Natürlich fällt auch mir dieser Verband ab. Ich lasse ihn unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung liege, bis – ja, bis ich ihn dann doch reflexhaft aufnehme. Ich bin mir der Nebenwirkungen meiner Tat durchaus bewusst. Dennoch gerate ich ebenso reflexhaft an mein juckendes Auge. Ich bin mir die ganze Zeit über bewusst, daß ich mit den beiden fraglichen Fingern gerade nicht ans Auge geraten sollte und mache es trotzdem. Damit bin ich dann für die nächste Zeit beschäftigt. Auswaschen ist schlecht, denn ich hänge am Tropf. Lassen wir den Tränen ihren freien Lauf und sie das tun, wozu sie da sind. Die brennende Haut rund ums Auge darf vor sich hin brennen. Immerhin habe ich nicht reingefasst, sondern nur den Rand berührt. Nach etwa 15 Minuten hat sich wieder alles weitgehend beruhigt. Ich kann noch sehen.

Eine Schwester erklärt Herr Fleische ruhig aber sehr bestimmt, daß er bestimmte Dinge gefälligst regelmäßig zu tun habe, wenn er jemals wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden will. Dazu gehört auch das regelmäßige Tragen der Atemmaske. Herr Fleische mault vor sich hin und brabbelt etwas in Richtung „Sie sind aber hart.“ – „Ja, Herr Fleische, was Sie gerade mit dem Finger gemacht haben, das mache ich mit der Stimme. Und jetzt los!“ Widerspruch ist zwecklos.

Eine Physiotherapeutin erscheint mit einer Lernenden. Sie tastet mich ab, massiert mich im Lungenbereich und gibt mir ein Gerät zum Lungentraining. Es ist ausgelegt auf ein Atemvolumen von 2,5 Litern. Wir sind uns sofort einig, daß dies viel zu wenig für mich sei. Früher habe man über größere Geräte verfügt, aber seit man Lungenfachklinik geworden sei, gebe es nur noch diese kleinen.

Auch die Nachtschwester beginnt mir irgendetwas mit den Worten „Wie Sie ja schon wissen…“ zu erläutern. Ich beherrsche mich und gebe ihr nicht auf die Glocke. Nein, weiß ich weiterhin nicht. Ich erkläre ihr, daß der Kommunikationsfluss im Haus wohl eher ein kleines Rinnsal sei. Sie schaut mich gequält an und meint, daß ich heute einen Arzt gesehen habe sei doch schon ein echter Erfolg. Es gäbe hier im Moment Tage, an denen man noch nicht mal das hinbekommt. Es fehlt allen Ortes an Personal. Ich vermerke für mich positiv, daß Sie sich das im Umgang mit den Patienten zumindest nicht anmerken lassen und Sicherheit vermitteln. Immerhin.

Ich erhalte später noch eine Infusion. Pfleger Abdul legt sie mir an und verspricht eine zeitnahe Entfernung. Dann muß er verschwinden. Auf dem Gang sehe ich Pflegepersonal entlangflitzen. Später erscheint Abdul nochmal, kümmert sich um die Atemmaske von Herrn Fleische, macht mir ein heißes Öhrchen und verspricht die Entfernung des Infusionsschlauches bei nächster Gelegenheit. Ich bemerke die sich ausbreitende Hektik draußen und bleibe entspannt. Irgendwo brüllt einer herum, daß ein Notfall vorliege. Nach geraumer Zeit nimmt mir Abdul am Ohrläppchen Blut ab, verspricht erneut, sich gleich um den Infusionsschlauch zu kümmern und ist weg.

So langsam wird es unangenehm, denn ich müsste mal auf den Thron und möchte vermeiden, dies mit angelegter Infusion zu tun, auch wenn es wohl möglich wäre. Die Zeit des Schichtwechsels nähert sich. Ich betätige den Schwesternrufknopf in der Hoffnung, daß sich die Nachtschwester hier zeitnah blicken lässt. Eine entsprechende Erwartungshaltung sollte jedoch nicht aufgebaut werden, denn schon häufiger ist es geschehen, daß ein Schwesternruf aus unserem Zimmer für mindestens 30 Minuten ohne Reaktion verblieben ist, was durchaus zu erheblicher Unruhe bei Herrn Fleische führt. Zumindest, wenn er seine Beruhigungsmittel nicht genommen hatte. In Notfällen hat es sich bewährt, auf dem Flur einen solchen Notfall durch lautes Rufen zu verdeutlichen, möglichst unter Hinweis auf fließendes Blut. So wie im Nachbarzimmer geschehen. Als echten Notfall betrachte ich mich jedoch nicht.

Die Nachtschwester taucht tatsächlich unmittelbar nach Schichtübernahme auf und befreit mich. Sie wolle mir gleich noch das Überwachungsgerät anlegen. Ich sage zur Schwester, daß ich jetzt dringlich auf die Örtlichkeit verschwände und mir für die Zeit danach nichts weiter vorgenommen hätte. Sie ist zufrieden.

Gemeinsam mit Michael, dem technisch beauftragten Pfleger, der ausnahmslos alle Geräte zu kennen hat, werde ich in Gurtzeug geschnallt, auf der Brust einen Kasten tragend, welcher auch dort zu bleiben hat. Auf dem Bauch zu schlafen scheint mir ausgeschlossen zu sein, aber eine ordentliche Seitenlage ist problemlos machbar. Mehr erwarte ich nicht.

Ich schlafe tatsächlich für meine Begriffe tief und fest. Das Chaos, welches in der Nacht im Zusammenhang mit der laut gewordenen Maschine eintritt, an die Herr Fleische angeschlossen ist, verpasse ich ebenso wie die Atemschwierigkeiten Herrn Reinmanns, bei dem ein kleiner Noteinsatz der Nachtschwester erforderlich wurde.





Montag, 11. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 6 - Auf Station

Ich werde direkt an den Tropf gelegt. Kochsalzlösung gegen die Dehydrierung. Später wird es auf diesem Weg regelmäßig ein Antibiotikum geben. Die Krankenschwester zeigt mir, wie ich mich an die Sauerstoffversorgung anschließe und damit umzugehen habe. Man habe mir ja unten bereits alles erklärt. Ich eröffne ihr, daß ich noch nicht mal weiß, warum ich überhaupt hier auf Station eingelagert werden soll, weil niemand mit mir gesprochen habe. Sie ist hellauf begeistert und verweist auf den Arzt, welcher mich noch im Laufe des Tages aufsuchen wird.

Den Sauerstoff gibt es direkt in die Nase und ab geht es. Ohne Sauerstoff darf ich aufs Klo und mir Getränkenachschub holen. Verbringe ich meine Zeit auf dem Balkon, habe ich ein mobiles Sauerstoffgerät mitzuführen. Die Schwester bedient sich des Zugangs auf meinem rechten Handrücken und schließt mich an den Tropf an. Unmittelbare Zuführung eines Antibiotikums ins Blut. Immerhin sind die Flaschen deutlich kleiner als beim letzten Mal. Wenn der Zugang hält, kann ich meinen Vorstellungen entsprechend morgens duschen. Gummihandschuh drüber und fertig. Eine meiner größten Sorgen hat sich damit erledigt. Eigentlich im Moment sogar meine einzige echte Sorge.

Der Sauerstoffgehalt meines Blutes wird erneut gemessen; das Ergebnis verursacht Stirnrunzeln.

Im Nachbarbett ist es laut. Der dortige Patient, Herr Fleische wie Fleischer ohne „R“, ist ehemaliger Polizist, wie ich noch erfahren soll. Seine Lungenfunktion ist ziemlich am Ende, seine mentalen Kapazitäten sind etwas eigen strukturiert. Er ist nicht unsympathisch, wenn man sich an ihn gewöhnt hat. Ich schätze ihn auf deutlich über siebzig Jahre, vermutlich ist er aber jünger. Sein Aufenthalt hier ist routinemäßig. Seine Laborwerte haben sich verschlechtert, er muß jetzt und für künftig regelmäßig nachts durchgehend und am Tag über Stunden eine Atemmaske tragen. Das Ding sitzt noch nicht richtig, die damit verbundenen Abläufe stimmen auch noch nicht. Ich bin froh, meine Ohrenstöpsel eingepackt zu haben. Sie werden sich als äußerst segensreich erweisen.

Zu meiner Rechten auf der Fensterseite befindet sich Herr Reinmann. Er ist älter sein als ich, steht vielleicht kurz vor der Rente. Seine Zähne Zahnstummel scheinen mir ausnahmslos silbern überkront zu sein. Auch er hat– wen wundert es, befinden wir uns doch auf der Station für Atemwegserkrankungen – ein Lungenproblem. Ehemaliger Raucher. Hat nach fünfzig Jahren aufgehört, als er wähnte, etwas am Herzen zu haben. Hat er nicht, wie sich in den nächsten Tagen noch herausstellen wird. Dennoch war dies der Auslöser für einen Aufenthalt hier. Er wünscht sich intensiv, von der Zigarette weg bleiben zu können. Seine Frau ist ebenfalls starke und bereits erkrankte Raucherin. Sie wird nicht aufhören, so sagt er. Über verschiedene zwangsläufig mitgehörte Telefonate bekomme ich mit, wie sie ihre Haltung wiederholt bestätigt. Ich denke, seine Chancen stehen damit eher ungünstig. Anders kann ich es mir nicht vorstellen, dazu fehlt mir echt die Fantasie.

Ein junger Mann erscheint und stellt sich als Stationsarzt vor. Wie sich die Zeiten ändern. Früher musste man erst studieren, bevor man Arzt werden darf. Der Knabe da sieht aus, als ob er gerade erst sein Abitur gemacht hätte. Egal, gehen wir mal davon aus, daß ich mich nicht in der versteckten Kamera befinde und alles seine Ordnung hat. Ich habe kein Problem mit Berufsanfängern.

Er beginnt mit den Worten „Wie Sie schon wissen…“. Ich unterbreche mit dem Hinweis, daß ich weiterhin noch nicht mal weiß, warum ich überhaupt hier bin. Er stockt und erklärt mir die Lage. Ich habe wohl eine Bronchitis. Bronchitis? Für so etwas muß man ins Krankenhaus?  Echt jetzt? Ich bin irritiert. Außerdem habe man festgestellt, daß die Sauerstoffsättigung meines Blutes eher dürftig ist. Deutlich unterhalb akzeptabler Werte. Das Aufrechterhalten der Funktionsfähigkeit des Körpers unter diesen Bedingungen ist sehr kräftezehrend, was meine höhere Müdigkeit und die scheinbar – ich selbst merke es nicht so richtig – reduzierte Leistungsfähigkeit erklären würde. Die Dauer meines Aufenthaltes wird auf drei bis vier Tage veranschlagt. Ich verspreche dem Arzt, ihn nicht zu verklagen, falls es denn ein Tag mehr wird.

Die zweitbeste Ehefrau von allen verschwindet, um ihren weiteren Verpflichtungen nachzukommen. Die Kursteilnehmer warten. Sie ist etwas beruhigter und hat sich die ganze Zeit ihre Sorgen darüber gemacht, aus welchem Grund ich hierbehalten werde. Dazu kam das sie sehr belastende Zwischenergebnis ihrer eigenen orthopädischen Untersuchung. Ich verteile meine Sachen und hau mich wieder in die mittlere Koje. Im Zimmer ist es warm und drückend, das Fenster steht einen Spalt weit offen. Die beginnende Abendsonne erwischt uns voll.

Ich warte. Essen gibt es für mich nicht mehr, zum Zeitpunkt der Aufnahme auf der Station war das Mittagessen schon durch. Macht auch nichts, ich hatte heute Morgen einen Keks zum Frühstück und bin auch weiterhin nicht hungrig. Außerdem gibt es Abendessen ja sehr früh im Krankenhaus.

In den nächsten Tagen wird uns Ali immer wieder besuchen. Insbesondere mit Herrn Reinmann ergeben sich kurze Gespräche, bei denen Ali mit Eukalyptusbonbons versorgt wird. Ali ist nach eigenen Angaben 90 Jahre alt und 1964 mit der frisch verwitweten Mutter und zwei Brüdern aus Marokko nach Deutschland gekommen. Er beschwert sich, daß seine Kinder ihn noch nicht alle besucht haben. In zwei Tagen wird er entlassen werden. Bis dahin sollen noch häufiger die Worte des Pflegepersonals erschallen: „Herr Ali, dies ist nicht Ihr Zimmer!“ Aber er ist keine Belastung. Wir lassen ihn gewähren. Nach ein paar Minuten verschwindet er stets wieder.

So liege ich in meinem eigenen Saft badend, verschwitzt und stinkend in meinem Bett, lese ein Buch und warte. Es gibt nochmal ein Antibiotikum, dann gilt es, eine Mütze Schlaf mitzunehmen. Mein Dauerproblem drängt sich in den Vordergrund: Wann ist morgens der günstigste Zeitpunkt, um zu Duschen?



Sonntag, 10. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 5 - Die Not-Notaufnahme

Die erwarteten Attacken bleiben aus. Ganz im Gegenteil, bei mir baut sich ein Stimmungshoch auf. Wo kommen die Endorphine her? Ich verstehe es nicht.

Ich beginne zum Thema Lungenentzündung zu recherchieren. Man will ja zumindest grob informiert sein. Die gefundenen Information wäge ich ab, vergleiche sie miteinander. Ich gehöre nicht zu denen, die sich via Internet ihre eigene Diagnose zusammenbasteln und dann panikartig verbreiten, daß sie aufgrund ihres eingerissenen Daumennagels nunmehr einem langsamen und qualvollen Tod entgegen sehen. Aber ich will wenigstens grob wissen, was da auf mich zukommen kann, welche Abgrenzungen der Lungenentzündung es gibt, wie eine mögliche Behandlung aussehen könnte und wie lange der Spaß voraussichtlich dauern wird, ohne eine allzu großen Anspruch an eine hundertprozentige Umsetzung des theoretischen Erkenntnisgewinns zu haben. Was nicht in der Wikipedia steht, das gibt es nicht. Andererseits findet das Leben immer einen Weg, sich gegen in Stein Gemeißeltes zu behaupten.

Die Einweisung kann ich erst am nächsten Morgen abholen. Den Weg zur Praxis schaffe ich unter den gegebenen Umständen nicht zu Fuß. Es sind nur 700 Meter über eine Hügelkuppe auf halbem Weg, also im Normalfall keine Herausforderung. Aber in meinem jetzigen Zustand und unter den aktuellen Wetterbedingungen für mich schlichtweg unmöglich zu laufen. Auf einen Tag sollte es ohnehin nicht ankommen.

Am Dienstag beschrifte ich die beiden Umschläge für die AU-Meldungen. Das Ergebnis auf den Umschlägen wirkt ungelenk und fahrig, sollte aber lesbar sein. Ich hole die Einweisung  direkt zur Praxisöffnung ab, bringe auf dem Weg noch die beiden Umschläge zur nahegelegen Postfiliale, fahre wieder nach Hause. Anschließend warte ich darauf, daß die zweitbeste Ehefrau von allen ihren persönlichen Betriebszustand von Zuckt noch über Und sie bewegt sich doch auf Maschinen auf halber Kraft hin zu Ist kommunikationsbereit als vorläufiges Endstadium wechselt. Das Ist kommunikationsbereit-Stadium beinhaltet dabei schon die Möglichkeit des Ausführens weiterführender Aktionen innerhalb übersichtlicher und akzeptierbarer Parameter. Schließlich packe ich auf Weisung der zweitbesten Ehefrau von allen noch eine Tasche mit Ausrüstung für drei Übernachtungen im Krankenhaus.

Mein latentes Hochgefühl hält an. Die zweitbeste Ehefrau von allen hat schon am Vortag darauf hingewiesen, die Möglichkeit der Buchung eines Einzelzimmers unter Zahlung des Zuschlages als Differenz zu Privatpatienten im Krankenhaus zu ermitteln und die Nutzung entsprechend in Betracht zu ziehen, aber ich lehne weiterhin ab. Keine Panikattacken in Sicht. Ich biete meinerseits sogar an, zunächst alleine ins Krankenhaus zu fahren. Im Fall des Falles würde ich ja nicht direkt einkassiert werden, sondern könnte Balduin ja immer noch zurückführen und mich dann von ihr wieder in Krankenhaus fahren lassen. Es muß ja nicht sein, daß sie bei dem Wetter die ganze Zeit sinnlos da herumhängt. Das aber wiederum wird von ihr abgelehnt.

Meine Befindlichkeiten sind ihr unheimlich. Mir auch. Ich erkläre es mir in meiner Vorstellung so, daß ich dieses Mal ja Zeit zur Vorbereitung hatte und ich auch mit der Diagnose etwas anfangen konnte. Außerdem sind mir die Abläufe vor Ort nunmehr weitgehend bekannt, was allerdings nicht die grundsätzliche Problematik der Übernachtung zusammen mit Fremden in einem Zimmer aushebelt. Meinen letzten Krankenhausaufenthalt habe ich letztendlich auch psychisch als wohltuend empfunden. Ich wurde gezwungenermaßen aus allem herausgeholt, musste mich mal um nichts kümmern.  Außerdem steht ja immer noch die Aussage meines Arztes im Raum, nach der er nicht mit einem Aufenthalt im Krankenhaus rechnen würde. Die Möglichkeit einer stationären Aufnahme habe ich also schon auf dem Schirm, allerdings mit einer Wahrscheinlichkeit dagegen. Meine laienhaft naive Vorstellung liegt eher darin, daß man den Erreger eingrenzt, das passende Antibiotikum ermittelt und den Rest ambulant erledigen lässt.

Vor dem Verlassen der Wohnung sehe ich mich nochmal um. Ich erkenne deutlich, daß die vielen kleinen Handgriffe, die ansonsten wie selbstverständlich ausgeübt werden, in den letzten Tagen unterblieben sind. Mal eben auf dem Weg was hierhin oder dorthin packen, eben etwas wegwischen. Kleinkram halt, den man als dem Prinzip Ordnung nahestehender Mensch ohne nachzudenken nebenbei erledigt. All das hatte in den letzten Tagen bei mir nicht funktioniert. Es ist erschreckend.

Wir erreichen die Klinik. Die Notaufnahme ist erkennbar von Baumaßnahmen betroffen; wir werden zur Not-Notaufnahme ins Untergeschoss geleitet. Im dortigen Wartebereich sitzt der Umgebung entsprechend wartender Weise eine ältere Dame mit Begleitperson und ebensolchem Begleitkoffer. Die zweitbeste Ehefrau von allen nimmt mir meine kleine Tasche mit den Utensilien für den Tag ab und setzt sich ebenfalls. Die große Tasche verbleibt noch im Auto.  Ich warte an dem Schild, welches mich dazu auffordert, an diesem Schild zu warten, bis der Anmeldebereich der Not-Notaufnahme frei wäre. Dies ist er gerade nicht. Ich bemerke einige Rettungssanitäter, die sich dort geschäftig tummeln. Eine Trage wird hinausgefahren, eine Dame verlässt den Bereich.  Der Typ hinter mir erkundigt sich bei mir, ob ich denn immer noch warten würde. Ja, Mann, natürlich. Da drinnen geht offensichtlich die Post ab, wenn man nicht davon ausgeht, daß die Meute Rettungssanitäter da eine Party feiern. Herr, lass Hirn regnen. Oder Steine. Aber ziel gut.

Diese Gelegenheit wird von einem Muttchen – mir fällt kein anderer Begriff ein – genutzt, um mit ihrer Plastiktüte zur Anmeldung zu huschen. Sie wolle die Tüte ihrem Angehörigen bringen. Die Damen an der Anmeldung warfen baten sie direkt wieder hinaus. Ich bemerke immer noch geschäftiges Treiben von Rettungssanitätern und warte weiter. Inzwischen bilden wir zu dritt die fast kleinstmögliche ernst zu nehmende Warteschlange, welche eine solche Bezeichnung verdienen könnte. Den Tresen der Anmeldung habe ich fest im Blick. Zwei Damen wirken sehr beschäftigt. Man bemerkt mich, sagt aber nichts. Also wird der Zugang wohl weiterhin nicht freigegeben sein.

Nach weiterer Wartezeit, in der ich von drinnen nichts mehr hörte, aber auch keine Aufforderung zum Eintritt bekomme, klopfe ich an den Türrahmen und frage nach, ob der Bereich weiterhin als besetzt gelten würde. Die beiden miteinander beschäftigten Damen, welche von meiner Anwesenheit wissen, ignorieren mich weiterhin. Eine der beiden ist wohl zur Einarbeitung vor Ort und bekommt einige Erklärungen. Abseits meines bisherigen Sichtfeldes sitzt eine weitere Dame, welche mir erklärte, daß alles frei sei und ich eintreten dürfe. Hier wähne ich ein leichtes organisatorisches Problem im Ablauf, welches aber nunmehr nicht mehr das Meine ist. Ich stelle mein Anliegen dar, so daß  man mich aufnehmen kann.

Eine junge Dame in Blau geleitet mich in den hinteren Bereich der Not-Notaufnahme und weist mir eine Liege zu. Die Bereiche sind nur durch Vorhänge voneinander getrennt. Alles wirkt sehr provisorisch, aber funktionell. Emergency Room ist anders. Ich bin lieber hier. Es liegt eine sehr gute Atmosphäre in der Luft, welche aber eher psychologischer denn klimatischer Natur ist. Doch besser so als anders herum. Scherzworte fallen, man bewegt sich zügig aber ohne Hektik.

Die Dame in Blau beginnt mit der Untersuchung, misst meinen Blutdruck am rechten Arm. Dabei bemerkt Sie meine Tätowierung.  






„Hey, ein Einhorn. Damit sind Sie ja total up to date.“

Ich denke  darüber nach, daß diese Tätowierung vermutlich älter ist als die Person, welche ihrer gerade ansichtig geworden war, antwortete aber nur:

„Das Einhorn feiert auch schon seinen 25. Geburtstag.“

„Ja, daran sieht man, daß alles wiederkommt.“

Nein, Kind, eine Einhorn-Modewelle so wie in letzter Zeit hatten wir damals auch nicht.







Ich denke über eine zweite Tätowierung nach. Schon seit Jahren und auch aktuell auf der Liege sitzend. Im Moment ist mir die Sache etwas zu teuer. Es soll wieder ein plastisch gearbeitetes Bild sein und einen realistischen Bären darstellen. Einen Grizzley, Braunbären, Schwarzbären oder so ähnlich. Außen auf dem linken Unterarm. Der Platz ist fest reserviert für Papa Bär.

Die Dame in Blau misst den Sauerstoffgehalt meines Blutes, meldet jedoch massive Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Gerätes an. Die Werte sind dermaßen niedrig, daß es eigentlich nicht sein kann. Neuer Versuch an einem Finger der anderen Hand. Das Ergebnis ist vergleichbar. Es könnte einen Grund zur Beunruhigung darstellen. Später unternimmt sie einen neuen Versuch mit einem Ersatzgerät. Das Ergebnis sorgt bei ihr weiterhin nicht für Ausbrüche von Begeisterungsbekundungen.

Sie legt mir nach einiger Zeit einen Permanent-Zugang für Infusionen und schließt mich direkt an. Es gibt eine Kochsalzlösung. Meine Haut erscheint ihr etwas ausgetrocknet zu sein, ich hätte wohl in letzter Zeit zu wenig getrunken. Ausgerechnet ich. Sehr bedenklich. Nach der Entfernung des Tropfs meint sie zu mir, daß ich den Zugang als Geschenk des Hauses auHHhAUSES behalten könne, wenn ich die Notaufnahme verlasse. Ich mag keine Geschenke, nehme aber dennoch an. Es gibt sowohl Angebote als auch Geschenke, die man einfach nicht ablehnen kann.

Nach einiger Wartezeit erscheint ein junger Mann. Er stellt sich als Medizinstudent im letzten Jahr vor, führte die Untersuchung fort und möchte mir Blut aus der Arterie abnehmen. Zu diesem Zweck schnappt er sich mein linkes Handgelenk und beginnt mit seiner Tat.

„Es wird etwas länger als üblich piksen. Die Arterie ist weiter unten.“

Er sucht, pikt, sucht weiter, machte eine Bemerkung über sein Tun und einen eventuellen Schmerz meinerseits, welcher aber tatsächlich übersichtlich war.

„Junger Mann, wenn ich Ihnen jetzt sage, daß Sie ein guter Stecher sind, hört sich das vermutlich ziemlich scheiße an.“

Ich bemerke wie er sich beherrschte. Er zapft, dann lachte er los und sichert währenddessen den Einstichkanal.

„Ja, würde sich scheiße anhören. Der war gut. Mir fiel noch nicht mal was ein, was ich antworten könnte.“

Dann kann er ja schon mal anfangen, darüber nachzudenken. Den Spruch wird er vermutlich in dieser oder abgewandelter Form zukünftig noch häufiger hören.

Jens von der Pflege erscheint. Er schnappte sich mein rechtes Handgelenk und suchte die Arterie, um dort noch mehr Blut abzuzapfen. Es funktioniert schneller als beim Studenten.  Anschließend führt die junge Dame, welche die Eingangsuntersuchung gemacht hatte, die zweitbeste Ehefrau von allen zu mir. Sie gibt mir meine Tagestasche. Diese enthält Bücher, Taschentücher und vor allen Dingen Wasser. Wasser! Gute Maßnahme. Es ist warm dort unten und bin schon dabei, zu verschwitzen. Anschließend werde ich auf der Liege von einem mindestens kurz vor der Rente stehenden, schlecht gelaunten älteren Hutzelmännchen entführt und nach oben transportiert. Der Patientenaufzug wird von einer Dame bedient, welche den ganzen Tag nichts anderes macht als diesen Aufzug durch die Gegend zu fahren. So macht sie Kilometer um Kilometer. Wir werden uns noch häufiger begegnen. Ich erfahren aus dem kurzen Gespräch zwischen ihr und dem Hutzelmännchen, daß heute scheinbar überall im Haus Personal ein seltenes Gut ist.

Man parkt mich auf einem Flur in deutlich angenehmerer Luft. Andere Patienten warten ebenfalls, überwiegend in liegender Weise. Wir befinden uns im Röntgenbereich. Meine Mitstreiter nörgeln herum, beschimpfen die Dame, welche das Gerät bedient, fragen über den Flur rufend, ob man sie vergessen habe, obwohl sie nahezu zeitgleich mit mir dort aufgeschlagen sind. Und es ist tatsächlich noch nicht viel Zeit vergangen. Ich entspanne mich, genieße die angenehmere Luft und bemühe mich, meine Umgebung auszublenden. Wenige Minuten später ist meine Lunge von Röntgenstrahlen durchdrungen und ich werde wieder nach kurzem Zwischenparken nach unten gebracht.

Nochmal werde ich gepikst. Neue Fragen werden gestellt. Eine Ärztin huscht mal hierhin und mal dorthin, erklärt den Patienten, daß sie nun hier blieben müssen oder daß sie zur Weiterbehandlung zum Hausarzt zu gehen haben. Ich harre der Dinge. Ausharren kann ich gut.

Irgendwo im Hintergrund höre ich meinen Namen fallen. Station 1.3 wird als Zielort angesagt. Also bleibe ich wohl doch hier. Informationen habe ich nicht bekommen. Das Hutzelmännchen erscheint in jetzt deutlich besserer Laune und bringt mich auf der Liege liegend auf den Weg. Wir kommen an dem Wartebereich vorbei. Ich erwähne, daß es eventuell besser sein könnte, meine Frau mit nach oben zu nehmen. Das Hutzelmännchen bestätigt und fragt nach, welche es denn sei. Ich entscheide mich für die Dame ganz hinten sitzend, welche uns gerade bemerkt hat. Ich winke ihr zu, sie möge mitkommen. Die zweitbeste Ehefrau von allen kommt und sieht mich irritiert-irre an. Ich weiß, daß sie beim dem Arztgespräch gerne dabei gewesen wäre, weswegen ich auch darum gebeten hätte, sie zu dem Gespräch reinzuholen, bevor ich ihr später wieder tausend sehr spezifische Fragen beantworten soll, was ich ohnehin nicht kann. Ich bin Mann und reduziere auf das Wesentliche. Aber ein Gespräch hat ja nicht stattgefunden. Ich weiß nur aus dem aufgeschnappten Wortfetzen, daß es auf die Station geht. Dies versuche ich, ihr mehrfach zu verdeutlichen. Scheint irgendwann geklappt zu haben.

Auf der Station werde ich in einem Dreibettzimmer untergebracht. Die Schwester ist erleichtert, daß ich vollkommen mobil bin und selber gehen kann. Man hatte mich wohl auf der ältesten vorhandenen Liege untergebracht, welche sich nicht mehr übertrieben gut und leichtgängig bewegen ließe. Ja, das in Verbindung mit meinem Gewicht dürfte zu Begeisterungsstürmen geführt haben. Im Nachhinein bin ich leicht beeindruckt, wie souverän das Hutzelmännchen mit durch die Gegend bugsiert hat. Aber er ist da Profi und macht den ganzen Tag nichts anderes.

Wir betreten das Zimmer. Zwei Männer liegen in ihren Betten. Ich sage die Tageszeit und bekomme freundlich Antwort. Ich bin auf Station. Alles ist gut. Keine Panikattacke im Anzug. Nicht mal ein Hauch davon.




Samstag, 9. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 4 - Erste Diagnosen

Herr Müller betritt nach Aufruf das Sprechzimmer, benötigt nicht viel Zeit, danach bin ich an der Reihe. Nicht ganz unerwartet wird der geäußerte Verdacht hinsichtlich des Pfeifferschen Drüsenfiebers entkräftet. Man diagnostiziert vielmehr einen Virusinfekt, wie er für diese Jahreszeit üblich sei, und schreibt mich für den Rest der Woche arbeitsunfähig. Aus der Apotheke soll ich mir ein paar Hustenlöser und Zinktabletten besorgen. Ach ja, und etwas Blut möchte ich auch noch vor Ort lassen. Man will es mal untersuchen, nur um nichts zu übersehen.

Ich gehe wieder an den Empfang. Die Mitarbeiterin am Empfang gehört auch schon zum Inventar der Praxis. Sie ist in den letzten Jahren ziemlich alt geworden, wie mir scheint. Alle werden äußerlich älter, nur ich nicht. Das würde ich ja merken. Innerlich sowieso nicht. Auch mit Fünfzig habe ich noch die gleichen Flausen im Kopf wie mit Dreißig. Vielleicht nicht wie mit Zwanzig, das räume ich hier ein. Ich werde direkt weiter zum Blutabnahmezimmer geleitet.

„Winken Sie da einmal rein und nehmen Blickkontakt mit der Kollegin auf, damit sie weiß, daß wir noch etwas für sie haben.“

Das mache ich gerne. Die Aufnahme des Blickkontaktes gestaltet sich problemlos. Blickkontakt kann ich. Auch diese Mitarbeiterin ist schon länger dabei, als ich hier Patient bin. Sehr sympathisch. Etwa mein Alter, vielleicht etwas mehr. Sie fällt unter anderen Umständen in mein Beuteschema. Ich lasse mich von ihr anstechen, schleppe mich in die Apotheke und erstatte zu Hause Bericht, bevor die zweitbeste Ehefrau von allen zu einem eigenen Termin bei einem Orthopäden fährt. Sie hat schon länger Probleme mit einem Fuß. Massive Probleme. Der Anruf bei der Praxis führte seinerzeit zu einer Terminvergabe für einen Zeitpunkt mehr als elf Wochen in der Zukunft.

„Aber es ist ein akuter Fall mit Schmerzen. Ich bin beruflich zwingend darauf angewiesen, den Fuß nutzen zu können.“

„ Ja, das habe ich ja verstanden. Deswegen bekommen Sie ja auch so schnell einen Termin.“

 „…“

Wir gelten hier übrigens als medizinisch überversorgt. Aber das nur mal so am Rande.

Schließlich melde ich mich nochmal bei Frl. Hasenclever und sorge dafür, daß sie noch etwas mehr rotiert. Da meine verbale Kommunikationsfähigkeit zunehmend eingeschränkt ist kündige ich an, weitere Hinweise zum Umgang mit den auf meinem Tisch befindlichen Vorgängen per WhatsApp zu schicken. Ich habe da schon was vorbereitet. Nach einer Stunde bekomme ich die Vollzugsmitteilung. Läuft. So stelle ich mir das vor.

Weniger läuft es bei der zweitbesten Ehefrau von allen. Ungezählte Stunden später ist sie wieder da, knapp bevor sie zu ihrem ersten Kurstermin aufbrechen muss. In der orthopädischen Praxis war Chaostag. Das Röntgengerät ist ausgefallen, der Arzt kam erst nach Stornierung seines Heimfluges in der Nacht nur Stunden vor Beginn der Sprechzeit aus seinem Urlaub zurück, die Patienten sind überwiegend laut und unbeherrscht. Das dortige Praxisteam musste heute einiges aushalten. Die zweitbeste Ehefrau von allen verteilte hingegen positive Schwingungen, welche man dort dankbar aufnahm. Es änderte jedoch nichts daran, daß sie nochmals dort vorstellig werden müsse. Man vermutet einen Ermüdungsbruch im Fuß. Für den Rest des Halbjahres werden die Kurse auf Sparflamme betrieben, nach Möglichkeit in den Ferien zusammengelegt oder vertreten. Das führt natürlich auch zu einem Einnahmeausfall, aber es geht eben nicht anders. Das Los der Selbständigkeit.

Das Telefon klingelt. Mein Arzt ruft an und bittet über den vorgeschalteten Anrufbeantworter dringlich um Rückruf. Die Laborwerte hätten noch was ergeben. Nachdem ich das Telefon erreicht hatte, komme ich der dringlichen Bitte nach. Die Laborwerte ergaben einen zu hohen Entzündungswert im Blut. Der Verdacht läuft nun in Richtung Lungenentzündung. Man würde mir eine Einweisung ins Krankenhaus vorbereiten, die ich nur noch am Empfang der Praxis abholen müsse. Einige erforderliche Untersuchungen seien nur im Krankenhaus möglich. Die Einweisung bedeute jetzt nicht, daß ich da blieben solle, die würde nur für die Abrechnung des Krankenhauses benötigt. Kann man glauben, muß man aber nicht.

Krankenhaus. Mit wildfremden Menschen auf einem Zimmer. Auch in der Nacht. Eingeschränkte Aktionsmöglichkeiten auch in der persönlichen Körperhygiene. Und das bei dem Höllenwetter. Genau wie beim letzten Mal!

Ich warte auf das Einsetzen der Panikattacken.




Freitag, 8. Juni 2018

Kurze Unterbrechung

Wir unterbrechen das laufende Programm mit einem Hinweis

Wenn diese Nachricht erscheint wird es vermutlich der Fall sein, daß ich nochmal für (hoffentlich) nur einen Tag den Übernachtungsservice des örtlichen Krankenhauses zu Beobachtungszwecken nutzen darf. Hier geht alles im Automatikbetrieb weiter. Der nächste Teil der laufenden Serie erscheint Samstag Mittag.

Einlaufende Kommentare werden nach meiner Rückkehr gesichtet und freigeschaltet.



Hat sich erledigt, die wollten mich nicht dabehalten.

Vorstellungen, Teil 3 - Im Wartezimmer

Ich melde mich bei Frl. Hasenclever fernmündlich krank. Natürlich kommt der Spruch, den ich erwartet hatte. „Wohl gestern zu viel gefeiert, was?“ Natürlich nicht, Frl. Hasenclever. Wir kennen uns lange genug. Sie weiß, daß ich derartige Mätzchen nicht mache. Und Sie weiß, daß sie bei mir mit dem Spruch nicht aneckt und ihn sich dementsprechend leisten darf. Aber es gilt dennoch die alte Weisheit, nach der ein schlechter Witz durch ständige Wiederholung auch nicht besser wird. Ich habe immer noch die Genugtuung, daß ich mir darüber im Klaren bin, wie sie jetzt schon mit Blick auf die Personalsituation beginnt, innerlich zu rotieren. Im Juni soll ich sie wieder vertreten, voraussichtlich für drei Wochen. Herr Harnischfeger befindet sich weiter im Hamburger Modell und soll von mir betreut werden. Ludwig muß auch noch Resturlaub loswerden. Es war nahezu undenkbar, daß wir die Mindestzahlen im Juni erreichen werden. Wenn ich jetzt noch ausfalle, sieht es düster aus.

Der nächste Anruf gilt meinem Arzt. Meine Stimme ist ausgesprochen belegt, das Sprechen fällt mitunter schwer und führt zu einem Hustenreiz. Bei der in der Praxis stets gewünschten telefonischen Anmeldung meines dringlichen Vorsprachewunsches auch für die freie Sprechstunde spiele ich die Drüsenfieber-Karte und stelle mir vor, damit den nachfolgenden Ereignissen zu entgehen. Ohne Erfolg. Vielleicht hätte ich doch die Masern-Karte zücken sollen.

Die Hölle hat eine feste Position auf der Raum-Zeit-Koordinate im Multiversum: Das Wartezimmer der hausärztlichen Praxis im Neustädter Ländchen, montags zwischen 8.00 und 11.00 Uhr zur freien Sprechstunde. Also mit ohne festem Termin.

Der Zwinger hat eine Größe von etwa 11 m2. und ist mit meinem Erscheinen um 8.00 Uhr prall gefüllt. Die Außentemperatur zeigt sich zu dieser Zeit noch in einem durchaus angenehmen Bereich, weswegen zur Steigerung der Sauerstoffzufuhr zwei  Fenster auf Klappe geöffnet sind.  Eine andere Möglichkeit des Öffnens gibt es nicht. Die Anwesenden erhöhen Kraft ihrer Körpertemperatur die Hitzewerte dramatisch.  Das Raumklima ist mörderisch. Über die gekippten Fenster dringt zusätzlich der Lärm von der gegenüberliegenden Straßenseite hinein, welcher durch den Neubau eines für unsere Verhältnisse größeren Gebäudekomplexes verursacht wird.

Die meisten Anwesenden beschäftigen sich nahezu pausenlos mit ihren Smartphones. Umso besser, dann kommt wenigstens niemand auf die Idee, eine Unterhaltung führen zu wollen.  Lass sie reden, mir ist das normalerweise weitgehend egal. Aber manche Menschen können einfach nicht leise, wie ich immer wieder im Bus erfahren muss.  Eine Frau unbestimmbaren Alters erscheint. Artig macht ein jüngerer Mann Platz. Schnaufend lässt sie sich in den unbequemen Sitz fallen. Sie trägt Haare auf dem Kopf, die nicht ansatzweise einen Anspruch auf eine Frisur geltend machen können. Die Hose ist fleckig, die Oberbekleidung eindeutig zu eng.  Unter den richtigen Umständen kann Letzteres für einen Männerblick durchaus auch mal von Interessen sein, aber hier liegen eben diese Umstände explizit nicht vor.

Von einem der Smartphones aus erklingt eine Stimme. Es handelt sich um eines der beiden Smartphones, mit denen sich ein bulliger, südosteuropäisch wirkender Typ abwechselnd beschäftigt und welcher nun ziemlich erschreckt und in gebotener Hektik versucht, eben jene Stimme zum Schweigen zu bringen.

„Das habe ich nicht verstanden.“ kommentiert die Frau mit der fleckigen Hose.

Ich auch nicht, aber es verwundert mich nicht bei dem offenkundigen Migrationshintergrund des bulligen Typen. Die Sprache würde ich als Griechisch einstufen und gehört wohl weiterhin zu jenen Strukturen verbaler Kommunikation, die hier trotz der Anwesenheit zahlreicher Betreiber von schlechten Gyrosverkaufsstellen auch weiterhin nicht so weitläufig verbreitet sind.  Aber zu den Punkten auf meiner Hassliste gehören Menschen, die meinen, alle Ereignisse in ihrem Umfeld kommentieren zu müssen. Und auch wenn ich davon ausgehe, daß die meisten dieser Kommentare wohl nur eher unbewusst ausgesprochene Gedanken ohne weiteren Hintergrund sind, macht es dies für mich nicht besser. Die Frau hielt sich nachfolgend mit derartigen Kommentaren dran. Nicht laut und sicherlich auch nicht für das ganze Wartezimmer bestimmt, aber zumindest für mich und doch zweifellos für das ganze restliche Wartezimmer durchaus vernehmlich.

Der bullige, schon im Sitzen nahezu hünenhafte und durchaus schwer angegraute Typ hat sein aufmüpfiges Smartphone in den Griff bekommen und unterhält sich kurz mit der bildhübschen jungen Frau, die ihm übers Eck als nächste sitzt. Er spricht leidliches Deutsch, aber tatsächlich mit für meine Ohren griechischem Akzent. Man gehört augenscheinlich zusammen. Ich überlege, ob sie seine Tochter oder seine Lebensgefährtin ist. Beides scheint mir möglich. Ihr Deutsch ist akzentfrei.

Der Typ neben mir blättert in Zeitschriften. Zu den Dingen, die ich beim Arzt nicht anfassen würde, gehören Zeitschriften. Als ÖPNV-Nutzer bin ich ja einiges gewohnt, und über viele Dinge sollte man sich besser gar nicht erst in irgendwelche Vorstellungen vertiefen oder gar Gedanken machen. Zum Beispiel auch nicht über die Nutzung der Griffe von Einkaufswagen. (Nein, nicht Wägen. Ich hasse das. Jahrzehntelang war hier das Wort für die Mehrzahl von Wagen Wagen und nicht Wägen, was immer mehr um sich greift. Nein, es sind die Wagen. Dabei bleibt es. Basta.) Aber es ist nicht so, daß ich vor nichts fies bin. Alles hat seine Grenzen.

Er verlässt das Wartezimmer, kommt nach einiger Zeit wieder rein und jappst irgendetwas, was wohl im Zusammenhang mit der Luftqualität zu stehen scheint. Verzweifelt stürzt er zum Fenster und hat wohl die Vorstellung, dieses weiter öffnen zu können. Keine Chance. Desillusioniert setzt er sich wieder hin.

„Herr Müller und Herr Paterfelis bitte.“

Endlich. Herr Müller huscht nach draußen. Bei mir dauert es aufgrund der Schwindelanfälle etwas länger, bis ich mich in einer einigermaßen sicheren Stabilität auf den Weg machen kann. Der Typ neben mir blickt von seiner Zeitung hoch.

„Häh?“

„Wie bitte?“ denke ich korrigierend und sage nur „Paterfelis“. Der Typ ist beruhigt und widmet sich dem Studium seiner Zeitung. Ein Magazin für Hobbyangler mit vielen bunten Bildern. Erstaunlich, was man in Wartezimmern so alles zu lesen bekommt.

Ich werde gemeinsam mit Herrn Müller vor dem Sprechzimmer des Arztes auf einer Sitzreihe geparkt und harre mal wieder der Dinge, die da so kommen. Hier erweist sich die Luft als deutlich angenehmer. Das Wartezimmer ist überstanden.




Donnerstag, 7. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 2 - Vorzeichen am Horizont

Am Wochenende nach der Geburtstagsfeier der zweitbesten Ehefrau von allen treibe ich mich nach vierwöchiger Abwesenheit wieder im Sporttempel herum. Man hatte mir in der Zeit davor in schönster Regelmäßigkeit das Familienauto entzogen, so daß das Erreichen des Sporttempels während dieser Zeit nur noch auf Wegen möglich war, die für mich keinerlei praktische Relevanz besaßen. Wenn ich wie ein ausgelutschtes Bonbon bei mir ohnehin nicht sehr zuträglichen Außentemperaturen aus dem Sporttempel rauskomme, will ich nicht noch ewig mit dem Bus unterwegs sein und auch noch umsteigen müssen. Am Wochenende sieht es hier auf dem Land mit den Busverbindungen eher übersichtlich aus. Wenn es dann auch noch darauf ankommt eine Anschlussfahrt zu erreichen, dann wird das schon mal eine Herausforderung.

Nach so einer Trainingsunterbrechung erwarte ich nicht, in meiner Leistung nahtlos da anzuknüpfen, wo ich stehen geblieben bin. Das Training beginne ich regelmäßig mit einer Stunde auf dem Fahrrad. Nach acht Minuten muss ich abbrechen. Ok, akzeptiert. Es gibt so Tage. Aber acht Minuten sind schon echt arm. Umso mehr freue ich mich auf den Kraftgeräteteil. Aber auch hier geht bereits nichts mehr, bevor ich auch nur zur Hälfte durch bin. Meine ursprünglichen Vorstellungen differieren also schon ein wenig von dem gerade Erlebten. Frustriert streiche ich die Segel.

Die Temperaturen und damit einhergehend die Schwüle ziehen in der folgenden Woche stetig an. Ich bin ja bekanntlich sowieso nicht der Mensch für hochsommerliche Hitzegrade, und die fangen für mich allerspätestens bei der 23-Grad-Marke an. Ein trockener Husten begleitet mich, aber das ist im Frühjahr normal. Eventuell habe ich eine Pollenallergie entwickelt, sah mich bislang aber nicht veranlasst, der Sache weiter nachzugehen. Es stört mich nicht weiter.

Donnerstag und Freitag spüre ich Schwindel im Büro; in größeren Abständen werde ich einen leichten, kaum spürbaren Schüttelfrost gewahr. Ich nehme das Wetter in die Verantwortung, mache jeweils früh Feierabend. Meine Ist-Zahlen decken sich vorzeitig mit den vorgegebenen Soll-Zahlen.   

Am Donnerstag werde ich von der zweitbesten Ehefrau von allen am Bahnhof abgeholt. Es ist unser Tag für den Wocheneinkauf. Doch statt zum Einkauf lasse ich mich vorsorglich lieber nach Hause kutschieren, da mir ein vernünftiger, aufrechter und gerader Gang aufgrund des anhaltenden Schwindelgefühls nicht möglich ist.

Freitags beginne ich in Absprache mit Frl. Hasenclever die Arbeit an einem mir durchaus sehr genehmen Sonderprojekt, welches dazu dienen soll, bestimmte Zahlen für unsere Außenstelle in den nächsten Monaten soweit zu drücken, daß wir den zu diesem Zeitpunkt vermuteten Blick des Herrn Geschäftsführers auf diese Thematik mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehen können. In unserer Vorstellung würde ich das Projekt über einen Zeitraum von einigen Wochen nebenbei laufen lassen können. Rechtzeitige Vorarbeit tut hier Not, denn eine Lösung ist nur im Rahmen einer Langzeitstrategie möglich.

Das Wochenende meines Geburtstages ist da. Beginnend seit Mittwoch plagen mich permanente Kopfschmerzen. Die Schwindelanfälle legen sich nicht, das Wetter ist mörderisch. Die meiste Zeit verbringe ich liegend. Ich pflege meine Geburtstage ja nicht zu feiern. Es ist mir lästig, außerdem sehe ich keinen Sinn darin ein Ereignis festlich zu begehen, zu dem ich letztendlich nichts beigetragen habe als mit einem gewissen unaufhaltbaren Automatismus älter zu werden. Der Überlebenswille ist ein Grundbestandteil jeglichen Lebens und an sich in unserer Zeit als Mensch im Regelfall in diesen Bereichen keine Leistung. Der besondere Umstand, daß jetzt am Ende wieder einmal eine Null angezeigt wird, liegt auch nur darin begründet, daß die Evolution den Menschen mit zehn Fingern ausgestattet hat, welche Grundlage des Dezimalsystems wurde. Ja, man wird nur einmal 50. Man wird aber genauso oft 49. Es ändert nichts. Dennoch komme ich nicht um die Feststellung herum, daß ich mir den Tag zumindest etwas anders vorgestellt hatte als die ganze Zeit mit einer gewissen Handlungsunfähigkeit abwechselnd im Bett , wahlweise auch auf dem Monster-Sofa oder dem neuen Sessel im Metzelsaal zu verbringen und darauf zu warten, daß die Zeit vergeht.

Mein Appetit lässt sehr zu wünschen übrig. Getränke kippe ich in hoffentlich gerade ausreichender Menge aus purer Ratio in mich hinein, beim Essen sieht es anders aus.  Schon seit ein paar Tagen hatte ich kaum feste Nahrung zu mir genommen. Am Samstag esse ich ein kleines Paket Magerquark, mein Geburtstagsessen besteht aus einem halben Apfel, montags esse ich schließlich einen Keks, welcher mir besonders im Magen liegt.

Die zweitbeste Ehefrau von allen weist mich noch darauf hin, daß aktuell wohl wieder die Masern im Lande aktiv wären. In den zweifelhaften Genuss dieser Krankheit bin ich als Kind bereits gekommen und wähne mich daher dagegen immunisiert. Auch der Hinweis, dass sie in den letzten Wochen regelmäßig Kontakt zu einer Person mit Pfeifferschen Drüsenfieber hatte, sorgt bei mir nicht zu einer steigenden Unruhe. Die Symptomatik dieser Erkrankung wäre wohl eindeutiger zu erkennen gewesen.

Dennoch beschließe ich, am Montag mal freiwillig zum Arzt zu gehen. Der trockene Husten nimmt zu und verstärkt sich zu ganzen Anfällen, die mir die Luft zu nehmen drohen. Die Kombination von Hustenanfällen und Kopfschmerzen wirkt natürlich wie eine Bombe im Schädel. Immerhin melden sich weiterhin keine Schmerzen im Brustbereich. Doch auch nur an die Möglichkeit eines weiteren Einsatzes im Büro zu denken, kann ich als definitiv abwegig einsortieren.




Mittwoch, 6. Juni 2018

Vorstellungen, Teil 1 - Letzte Planungen

„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.“

Der Jahresablauf trällert sein wohlbekanntes Lied.

Die zweitbeste Ehefrau von allen und ich tummeln sich auf der Suche nach Stoffen und bestimmten Nähutensilien in Neustadt. Meine Angetraute hat die Vorstellung, in ihren Geburtstag hineinzufeiern und dann den eigentlichen Tag, den ich mir frei nehmen würde, mit mir zusammen in einem Saunaparadies zu verbringen. Zu diesem Zweck wollte sie sich noch einen Saunarock nähen. Wir werden im örtlichen Kaufhaus auch fündig.

Auf dem Weg zur Kasse treffen wir auf Yvonne, der besten Freundin meiner Schwiegermutter. Sie habe ich irgendwie in mein großes, weiches Herz geschlossen. Natürlich kommen wir auf die anstehenden Ereignisse zu sprechen.

„Seid ihr auch an dem Samstag bei der Feier  dabei?“

„Nein, wir feiern schon Donnerstag zusammen mit Paterfelis‘ Eltern. Auf die Großveranstaltung hat Paterfelis ohnehin keine Lust und würde sich nicht wohlfühlen. Und ich bin sowieso nicht da, sondern auf dem Tribal-Festival in Hannover.“ beantwortet die zweitbeste Ehefrau von allen die Frage.

„Oh nö, dann lasst ihr mich da ja mit Gustav und Greta alleine. Das könnt ihr mir nicht antun.“ Gustav und Greta sind weitere Freunde meiner Schwiegereltern. Insbesondere Gustav erweist sich immer wieder als ausgesprochen anstrengender Typ. Zur Schließung eventueller Informationslücken verweise ich auf die Verlinkung im vorherigen Absatz.

„Vielleicht können wir es ja regeln, daß du mit uns zusammen schon am Donnerstag dabei bist. Wir können behaupten, daß du Samstag arbeiten musst und nicht tauschen kannst.“ Eine durchaus glaubwürdige Aussage, ist Yvonne doch Verkäuferin in dem Kaufhaus, in dem wir uns gerade aufhalten. Ihre Augen leuchten auf.  „Ja, das machen wir so. Das wäre natürlich obergeil.“  Auch uns käme das sehr entgegen. So hätten wir auch noch jemanden am Tisch, auf den man sich konzentrieren kann, wenn Eltern oder Schwiegereltern mal wieder anstrengend werden sollten, was durchaus mal vorkommen kann, oder es mal wieder nichts zu erzählen gibt, weil man ja doch immer wieder im Austausch steht und alle Belanglosigkeiten bereits gesagt worden sind. Ja, die Vorstellung gefiel uns.

Die Tage ziehen unaufhaltsam ins Land.

Nichts wird so hart gegessen wie das Ei gekocht wird. Oder so ähnlich. Die Geburtstagsfeier der zweitbestehen Ehefrau von allen findet dann doch hier bei uns statt. Mit einigen ihrer Mädels feiert sie bei uns zu Hausen in den denkwürdigen Tag hinein. Bis zur Eröffnung des kalt-warmen Buffets verweile ich bei den Anwesenden, um mich dann bis kurz vor Mitternacht in den Metzelsaal zurückzuziehen und auf das Vergehen der Zeit zu warten. Eigentlich war es meine Vorstellung, hier etwas zu lesen oder mich mit den neu erworbenen Spielen zu beschäftigen.






Doch der Hühnerhaufen eine Etage über mir macht genug Radau, um mich nachhaltig davon abzuhalten, ein mehr oder weniger gutes Buch zu lesen oder auch nur ansatzweise etwas zu tun, was eine gewisse Konzentration verlangt. Aber als jemand, der schon seit Jahrzehnten regelmäßig den ÖPNV nutzt, bin ich durchaus in der Lage, auch längere Zeiträume alleine mit mir selbst und meinen Gedanken zu verbringen. Dazu benötige ich als praktizierender Dinosaurier noch nicht mal ein Smartphone. Eine heutzutage abstruse Vorstellung, ich weiß.

Die Planung für die letzte Maiwoche steht auch. Ich stellte mir vor, an meinem Geburtstag, den ich aus kalendarischen Gründen frei haben sollte, einige Stunden im Sporttempel und die restliche Zeit ohne viel Tamm Tamm zu Hause zu verbringen. Mandy, welche von jenem historischen Ereignis wusste, hatte eine Gratulation per WhatsApp angedroht, ansonsten war nicht viel Theater zu erwarten.

Mittwochs würden meine Eltern mit dem Zug in Neustadt eintreffen. Da ich in dieser Woche keinen Urlaub bekommen kann und die zweitbeste Ehefrau von allen ihre eigenen Verpflichtungen im Rahmen Ihrer Kurse hat, war es unsere Vorstellung, dass wir uns am Donnerstagabend, der hier ohnehin Feiertag ist, beim Chinamann treffen würden.  Hier gedachte ich – und hatte kürzlich auch noch Raissa und die Azubinette vorgewarnt – mein Essen am Mongolengrill mit reichlich Knoblauch-Öl anzureichern, damit ich am Freitag, folgerichtig einem Brückentag, im Büro die Fahne im durchaus mehrfach übertragbaren Sinne hochhalten könne, um mit den gewürzbedingten Ausdünstungen an den Türen zu unserem Raum eine halbmassive Knoblauchwand zu errichten und damit ungestörtes Arbeiten zu ermöglich. Die beiden jungen Damen hatten also ihre Chance, entsprechende Vorbereitungen zu treffen und mitzuziehen. Ich bin ja fair, was so etwas angeht. Meine Eltern würden nach Hause in Richtung Duisburg aufbrechen, die zweitbeste Ehefrau von allen sich hingegen in Hannover  tummeln. Ein sturmfreies Wochenende sollte mich erwarten, welches ich in gewisser Dekadenz  mit einem Herr-der-Ringe-Filmmarathon und selbstgemachten Burgern zu verbringen gedachte.

Ein guter Plan, wie ich beim nochmaligen Lesen erneut feststellen darf.