Samstag, 14. April 2018

Es geht zu Ende

Nachdem mich nun der tödliche Männerschnupfen noch auf dem letzten Drücker erwischt hat, versuche ich im Büro noch etwas Ordnung in meine Angelegenheiten zu bringen. Ich habe mich nicht krankschreiben lassen, bin nur Mittwoch etwas früher nach Hause gegangen und stand am Donnerstag wieder auf der Matte.

Die letzten Tage in dieser Woche sind meine einzige Gelegenheit, die aufgrund der verschiedenen Sonderaufgaben seit ein paar Wochen liegen gebliebenen Neuanträge zu bearbeiten. Ab Montag geht die Tretmühle wieder los. Sonderaufgaben, Zusatzaufgaben, neue Vertretungen. Und irgendwann kommt auch die Azubinette wieder, die sich gerade zur Prüfungsvorbereitung in einem Internat befindet.

Um Raissa und Trudi nicht vollends in den Wahnsinn zu treiben, habe ich mich in Frau Kuchenbäckers verwaistes Büro zurückgezogen. Hier kann ich die Tür hinter mir schließen und ohne schlechtes Gewissen schniefen, schneuzen, husten, keuchen und die Nase hemmungslos hochziehen. Ist ohnehin gesünder. In diesem Büro stehen zwei Schreibtische. An Frau Kuchenbäckers Platz habe ich gar nicht erst versucht, mich entsprechend auszubreiten. Die Tischplatte ist mit allem möglichen Zeug zugestellt, das freie Arbeitsfeld ist für mein Empfinden winzig. Also habe ich vom Tisch gegenüber ein paar von Frau Kuchenbäckers ausgelagerten Grünpflanzen entfernt, die Kaffeemaschinen der Kollegen aus einem anderen Raum umplatziert, so daß ich an den Drucker herankommen und ihn füttern kann,  und mich nur mit dem nötigsten Arbeitsmaterial entsprechend eingerichtet. Zum Schluß noch per E-Mail ein Warnhinweis an alle Kollegen: Quarantänestation. Wer reinkommt ist selber schuld.

Sie kommen trotzdem.

Ich sehe mich nur in der Lage, eher einfache Probleme der Kollegen zu lösen. Genau wie bei meinen Neuanträgen. Alles, was seit Mittwoch zu mir zur Bearbeitung oder Entscheidung vorgelegt wurde, ignoriere ich weg. Von den alten Neuanträgen, dies es zu mir auf den Tisch geschafft haben, können gut die Hälfte sofort erledigt werden, ein kleiner Teil wandert zurück in den Schrank, weil sie mir mit den erkältungsbedingt reduzierten mentalen Kapazitäten gerade zu schwierig erscheinen. Man muß es ja nicht drauf ankommen lassen. Bei dem verbliebenen Rest muß ich ermitteln, Rückfragen bei der Kundschaft oder anderen Stellen auf den Weg bringen. Die Hälfte dieser Anfragen hätte schon seit Jahren erledigt sein können. Denn das sind Vorgänge, die bereits mal aufgrund einer früheren Antragstellung von einem LASA eines anderen Bundeslandes bearbeitet wurden, aber das mit offensichtlichen Mängeln. Es ist in der Branche bekannt, daß unsere Rechnungsprüfer die härtesten Hunde im Bundesgebiet sind und man es da anderen Ortes wesentlich leichter hat. Kann man gut finden. Kann man auch sein lassen. Ich bin da etwas zwiespältig. Doch die Situation ist zu diffizil, um sie hier und jetzt näher erläutern zu wollen.

Mir gefällt das Einzelbüro. Es ist seit Jahrzehnten ein Traum von mir, in einem Einzelbüro zu sitzen. Keine Chance auf Verwirklichung. Alle Fenster stehen auf Klappe, frische Luft strömt rein. Es herrscht – von den Geräuschen der Außenwelt und den gelegentlichen Störungen durch die Kollegen abgesehen – eine himmlische Ruhe. Arbeitsatmosphäre pur. Herrlich. Insbesondere die weiblichen Kollegen, die mich in der Quarantänestation heimsuchen, frieren hier. Nein, es ist angenehm. Mir ist es angenehm. Frau Kuchenbäckers Innenraumthermometer zeigt etwas über 18 Grad an. Das reicht mir vollkommen aus. Andere Räume in unserer Außenstelle explodieren förmlich bei Innentemperaturen von 24 Grad. Da läuft die Heizung noch, und die Insassen tragen Pulli.

Als ich gegen Mittag in mein angestammtes Büro zu Raissa und Trudi musste, um etwas zu holen, stand ich im Dämmerlicht vor einer Hitzemauer. Das Deckenlicht störte eine der Damen; die geschlossenen Fenster sollten den Außenlärm auch außen halten. Sauerstoff wurde mal wieder überbewertet und könnte zu klaren Gedanken führen. Teufelszeug. So etwas sollte verboten werden. Und ohne Beleuchtung ist es mir in dem Raum selbst bei strahlendem Sonnenschein zu dunkel. So kann ich nicht arbeiten. Aber das ist ein Problem für Montag, wenn ich wieder an meinen alten Platz umziehe.

Ich habe gelesen, daß mal wieder der Weltuntergang vorhergesagt wurde. Für den 23. April, wenn ich mich mein Gedächtnis gerade nicht trügt. Das erinnert mich daran, daß ich mich frage, warum ich das alles überhaupt noch mache. Freitag habe ich tatsächlich morgens eine halbe Stunde lang den Radiowecker überhört. Sonst bin ich es, der wach im Bett liegend darauf wartet, daß er anspringt und mir die Zeit vorgibt, wann ich aufstehen sollte. Jetzt war es anders. Eine Folge des tödlichen Männerschnupfens. Die zweitbeste Ehefrau von allen wunderte sich weniger darüber, so wie ich angeblich die Nacht durchgehustet hätte.

Das Ende ist mal wieder näher als man denkt.




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