Meine Laune war unterirdisch. Das Ungemach
menschlicher Dummheit lag wieder konzentriert auf meinem Schreibtisch, und ich
musste sehen, wie ich das dennoch auf einen geregelten Weg bringe. Was man für
Geld nicht alles macht…
Es wurde Mittag. Raissa spielte wieder ihren Heimvorteil
aus. Im Gegensatz zu den anderen Kollegen wohnt sie
fußläufig erreichbar in der Nähe unserer Außenstelle. Mittags geht sie immer
nach Hause, um das Essen für ihre kleinen Geschwister fertig zu machen und sich
auch selbst entsprechend zu versorgen. Essen betrachtet sie schon fast als ihr
Hobby, aber im Gegensatz zu dem Typen, den ich schon mal im Spiegel sehe, fällt
das bei ihr überhaupt nicht auf. Und das auch noch, obwohl sie konsequente Bewegungsminimiererin und Sportverweigerin
ist. Der Umstand, daß ihr Zimmer in der Familienwohnung hoch unter dem Dach liegt und sie dementsprechend regelmäßig Treppen steigen muß, genügt ihr als weiterführende Begründung.
Die Zeit verging. Ich hörte die Tür unseres Aufzugs; aus dem
Augenwinkel nahm ich eine sich nähernde Gestalt wahr. Raissa hatte den Rückweg
gefunden. Sie kam auf mich zu, in beiden Händen einen Stoffbeutel haltend.
„Da, für dich.“
Ich nahm den Beutel vorsichtig mit beiden Händen zufassend an.
Durch das dünne Material spürte ich wohlige Wärme, welche durch eine glatte,
harte Fläche nach außen strömte. Vorsichtig wickelte ich das Mitbringsel aus
und wurde einem verschlossenen Glasbehälter ansichtig.
Maultaschen. In einer Soße.
„Zur Stimmungsaufbesserung.“ strahlte mich Raissa an.
Ich liebe Maultaschen. Zumindest mit der richtigen Füllung.
Diese Maultaschen hatte die richtige Füllung. Und die Soße...
„Schmeckt nach einer
Senf-Sauce.“
„Stimmt.“
„Wie hast du die
gemacht?“
„Etwas Brühe, Sahne, Senf, Speck, Zwiebeln.“
„Sehr gut.“
„Und das, obwohl ich Speck und Senf gar nicht esse.“
Hachz! Die Jugend von heute scheint mir doch noch nicht
verloren zu sein.

