Mittwoch, 31. Oktober 2018

Wendungen

Die nächtliche Heimsuchung durch einen Traum, in welchem der Kollege Maus einen unerwarteten und vor allen Dingen unerklärlichen Auftritt hat, gehört zu den eher unschönen Dingen im Leben.

Doch wenn Kollege Maus sich in besagtem Traum so gibt, daß man ihn daraufhin noch im Traum dermaßen anschreit und rund macht, wie es in der Realität des Lebens des Öfteren notwendig wäre, und nur die gute Erziehung eine unverzügliche Umsetzung verbietet, dann wechselt das bislang aufgekommene Gefühl von einer Unbehaglichkeit in ein Empfinden wohliger mentaler Wärme.




Samstag, 27. Oktober 2018

Ein guter Mensch

Donnerstags ist der Tag des Wocheneinkaufs. Früher Feierabend, von der Angetrauten am Bahnhof abgeholt und ab durch die verschiedenen Ladenlokale der örtlichen Einzelhandelsunternehmen. Das passt zeitlich immer gerade so, bevor der große Ansturm losgeht.

Donnerstags ist aber auch Babs-Tag. Also der Tag des Friseurbesuches bei unserer Haus- und Hof-Friseurin. Babs eben. Wenn Babs jemals mitbekommt, daß ich sie hier im Blog Babs nenne, macht sie mich einen Kopf kürzer. Was zur Folge hätte, daß ich immer noch mindestens zwei Köpfe größer bin als sie, aber sich das Haare schneiden damit wohl erledigt hätte. So ohne Kopf tut man sich da eben auch mit den Haaren etwas schwerer.

Beim letzten Besuch habe ich wieder Kharma-Punkte gesammelt. Denn in Babs Geschäftsräumen tummelt sich auch Freddy. Bei Freddy handelt es sich um einen Mopsdackel. Oder Dackelmops. Irgendwie so. Wie auch immer. Freddy hat keine Zähne mehr, leidet dackeltypisch an Arthrose und hat Angst vor großen Männern. Es ist mir beim letzten Besuch gelungen, ihn eine gefühlte halbe Ewigkeit lang zu betutteln. Als großgewachsener Mann. Vielleicht hat er jetzt ja auch ein Augenproblem. Auf jeden Fall war er mit meiner Streichelleistung zufrieden, wie mir der abschließende Einsatz seiner Schlabberzunge bestätigte.

Aber ich schweife mal wieder völlig vom Thema ab.

Der monatliche Besuch bei Babs bringt natürlich unseren Einkaufstag etwas durcheinander. Wenn die zweitbeste Ehefrau von allen und ich Babs Laden wieder mit einer ordentlichen Frisur verlassen, ist es in den anderen Geschäften voller und die dortigen Regale - insbesondere mit den aufgrund des Erreichens des Mindesthaltbarkeitsdatums preisreduzierten Artikeln - sind leerer. Meine Motivation zum Einkauf ähnelt zu diesem Zeitpunkt auch eher den Regalen als den Läden. Also wird alles auf das Wesentliche reduziert. Am Samstag wollte ich dann nochmal einen weiteren Laden aufsuchen, am das im Angebot befindliche Katzenstreu zu erstehen. Das musste an jedem Babs-Donnerstag auch nicht mehr sein.

Ich mag es ja, am Samstag Morgen einzukaufen. Es ist zumeist noch ruhig in den Läden, ich kann in Ruhe vor mich hinschlendern und meinen Einkauf so vornehmen, wie ich es für richtig halte. Die zweitbeste Ehefrau von allen hat da etwas abweichende Vorstellungen, wie die Sache von statten zu gehen hat, was mitunter zu leichten Angespanntheiten beiderseits führen kann.

Also zog ich am Samstag nochmal los. Der ob der nur wenigen benötigten Artikel nur sehr übersichtliche Einkaufszettel erlangte keine körperliche Gestalt, sondern lag nur in Form eines Gedankenvermerks vor: Katzenstreu, der Angetrauten Lieblingsgetränk (soweit vorrätig, also eher minderwahrscheinlich - sagen die Erfahrungswerte), Backwaren zum frühnachmittäglichen Früstück, Schmalz für den geplanten Linseneintropf. Dazu wieder Beuteartikel.

So schlenderte ich durch die Hallen des örtlichen Ärrweh-Marktes und wurde fündig. Natürlich fehlte das Lieblingsgetränk wieder, dafür stieß ich auf einen Vorrat Federweißer, von denen ich noch zwei Flaschen abgriff. Ebenso wanderte der komplette Warenbestand an Katzenstreu in meinen Wagen, Schmalz und Backwaren natürlich, und auch ein paar Beutestücke in Form von Wurstwaren. Sehr schön.

Im Kassenbereich zeigte es sich ungewöhnlich voll. Vier von zehn Kassen waren geöffnet, es hatten sich auch schon kleinere Schlangen gebildet. Normal wären zu dieser Zeit zwei Kassen, welche kaum ausgelastet sind. Vor mir an der Kasse befand sich ein Paar, dessen Wagen die Kapazitätsgrenzen eindeutig überschritten hatte. Und man bildete nicht die vordere Spitze der Reihe. Es würde also noch etwas dauern. Da bemerkte ich an der durch einen Pfeiler regelmäßig verdeckten und daher weniger stark frequentierten Nachbarkasse, daß sich ein Kunde im Zahlvorgang befand und der nächste nur zwei Brötchentüten aufs Band legte. Danach war alles frei. Ich war bereit zum Spurwechsel und setzte ihn souverän um.

Schwerer Fehler.

Alleine der Kassenvorgang des Brötchenkunden zog sich hin, da man die Eingabe-Nummern der Backwaren nicht auswendig kannte und die an der Kasse befindlichen Tableaus diese - an sich gängigen - Artikel scheinbar nicht beinhalteten. Tüte No. 1 wurde Hilfe der Kassenaufsicht geklärt, welche danach wieder verschwand. In Tüte No. 2 befanden sich zwei verschiedene Artikel. Eine Nummer war bekannt, die andere nicht. Und keine Kassenaufsicht mehr in der Nähe. Es dauerte schon etwas, bis das Problem mit Hilfe der freundlichen Kassiererin von nebenan gelöst werden konnte.

Dann war die Reihe an mir. Die beiden Flaschen gab ich der Dame an der Kasse so in die Hand. Es kam, wie es kommen musste. Sie legte die Flaschen zum Einscannen hin. Mein Warnhinweis, dies keinesfalls zu tun, kam zu spät. Wer jemals eine Flasche Federweißer hingelegt hat wird wissen, was geschah. Der Rest wird nunmehr darüber informiert, daß der Flaschenverschluss aufgrund des Gärprozesses in der Flasche gewollt undicht ist.

Die Kassenaufsicht kam zur Rettung mit Papiertüchern, um die Sauerei wieder zu trocknen.

Ich blieb entspannt. Äußerlich.

Dann hielt ich der Kassendame eines meiner fünf Pakete Katzenstreu hin, damit sie scannen könne. Es hat auch soweit gut funktioniert; die Anzahl der Pakete wurden ebenfalls zutreffend erfasst.

"Gehören die Sachen auf dem Band auch noch zu Ihnen?"

Ja, eine berechtigte Frage, stand ich doch zwischenzeitlich nicht mehr alleine an der Kasse. Ich bestätigte.

"Oh, jetzt habe ich auf Summe gedrückt."

Ein lösbares Problem. Ich zahlte also hilfsbereit wie ich bin den ersten Teil meines Einkaufes und wartete auf das beginnende Scannen des Restes.

Hinter mir bekannt sich eine beachtliche Schlange zu bilden. Die ersten Kunden hinter mir hatten noch das Abkassieren des vorherigen Kunden mitbekommen. Sie bekamen irre Blicke.

Ich hatte zwei Tüten mit Backaren auf dem Band liegen.

Eine Sorte wurde treffend eingescannt, die andere nicht. Die Kassenaufsicht erschien, um den Storno zu vollziehen.

Ich registrierte die tötenden Blicke hinter mir, lächelte weiter und winkte. Auch wenn ich an der Situation eher den Part habe, dem man nicht in die Verantwortung nehmen kann, kann das für einen Soziophobiker mehr als nur unangenehm werden. Zum Glück war ich in ausreichend stabiler Gemütsverfassung, so daß keine Panikattacke drohte. Denn die kann auch durch so eine Situation ausgelöst werden, da man ja irgendwo doch mit im Bereich des Interesses steht.

Nun ging es an die preisreduzierten Artikel. Natürlich funktionierte dies hier auch nicht reibungslos. Der erste meiner fünf Artikel wurde mit dem vollen Preis eingescannt, der Rest entsprechend reduziert.

In Augenwinkel sah ich, wie das Paar von nebenan mit dem überfüllten Einkaufswagen locker-lässig an mir vorbeizog.

Die Schlange hinter mir begann, sich zu einem wütenden Mob zu wandeln.

Ich beschloss, nicht direkt an der Kasse zu reklamieren, sondern erst später bei der Kassenaufsicht, und mir dort mein Geld zurückzuholen, und blieb weiterhin freundlich-lächelnd. Glaube ich wenigstens.

Wir brachten das Drama zu Ende. Die Kassiererin bedankte sich bei mir. Vermutlich für meine bewahrte Ruhe.

Ich bin ein guter Mensch.

Es kann nur so sein.

Bitte bestätigt mir das jetzt. Ich brauche es, um meinen Frustpegel zu kanalisieren.




Donnerstag, 25. Oktober 2018

Hupen

Wenn ihr in Anbetracht der Überschrift dieses Beitrages auf den Gedanken kommt, daß es hier heute um eines der wohlbekannten, paarweise auftretenden weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale geht, dann ist das ausnahmsweise mal durchaus zutreffend.

Es begann damit, daß Frl. Hasenclever uns im Auftrag von Frau Schubert zu einer außerplanmäßigen Dienstbesprechung zusammengerufen hatte.  An einem Freitag. Dabei ist nicht der Freitag an sich das Problem, sondern eher der Umstand, daß wir bedingt durch Krankheit und Urlaub, aber vor allen Dingen durch die Abwesenheit von im (neudeutsch) Homeoffice arbeitenden  Kollegen und Teilzeitkräften an Freitagen nur dünn besetzt sind. Insbesondere scheint es ja eine Art Naturgesetz zu sein, daß der überwiegende Anteil der an den letztgenannten Gruppen Beteiligten grundsätzlich an Freitagen nicht im Büro ist.

So jedenfalls waren wir an diesem besagten Freitag mit deutlich unterhalb der Hälfte unserer Sollstärke vor Ort. Ein Umstand, den Frau Schubert immer noch nicht verinnerlicht hat. So hätte man die Besprechung locker noch etwas verschieben können, denn als so dermaßen dringlich hatte es sich später doch nicht erwiesen.

Wir versammelten uns in unserem Besprechungsraum. Frl. Hasenclever und Frau Schubert ließen noch auf sich warten. Helga nahm mir gegenüber Platz und stellte ihren Kaffeepott auf den Tisch. Rot leuchtete der Fanartikel des FC Bayern München mich an. Ergänzt wurden die üblichen Vereinsgrafiken mit den Worten „Beste Freundin“.

Eine Sympatisantin für den FC Bayern! Und das in unseren Reihen. So geht das nicht. Keineswegs. Niemals. Da muß man doch einschreiten! Und wenn etwas getan werden muß, dann mache ich das auch.

„Helga, hältst du das da nicht für etwas provokant?“

Helga strich ihr T-Shirt glatt, so daß die durchaus beachtliche Oberweite geradezu ins Blickfeld gerückt wurde. Immerhin zeigte sich kein Nippelalarm, so daß ich mich auf den auf dem Shirt prangenden Schriftzug konzentrieren konnte.

„BREAKING THE RULES“

Ja, auch der war eine Provokation. Helga und Frl. Hasenclever standen schon lange auf Kriegsfuß miteinander. Der Schriftzug war eindeutig in dem Zusammenhang zu verstehen.

„Nein, Helga, das interessiert mich nicht. Sondern die da.“

Ich deutete auf die Tasse. Von links ließ sich der Ökoklaus vernehmen:

„Also echt, Paterfelis, daß du behauptetest, daß dich Helgas Oberweite nicht interessiert, ist jetzt aber auch nicht schön.“

„He, Bursche. Jetzt hätte ich mal was anderes sagen sollen. Dann hätte ich ja auch direkt einen drüber bekommen. Wegen sexueller Belästigung.“

Ist doch so.




Montag, 22. Oktober 2018

Hoher Besuch

Aus dem Archiv gekramt:


Der Herr Geschäftsführer kommt. Also zu Besuch. In unsere Außenstelle. Mit seinem gesamten Stabsapparat. In gewissen Abständen macht er so etwas.

Es ist ein steter Quell der Freude für die Mitarbeiter des Hauses. Insbesondere dann, wenn sie an diesem Tag bereits genehmigten Urlaub haben oder aus anderen Gründen abwesend sein können. Denn der Herr Geschäftsführer gehört nicht zwingend zu jenen Personen, die man als Sympathieträger kennen wird. Ältere unter meinen Lesern werden sich an J. R. Ewing erinnern können. Und aus eben jenem Grund nennen viele Kollegen den Herrn Geschäftsführer heimlich J.R. Oder einfach Jens-Rüdiger. Das fällt dann nicht so auf.

Für alle Kollegen, die sich nicht rechtzeitig dank ihrer Intuition aus dem Staub machen konnten, besteht ab dem Bekanntwerden des Besuchstermins Urlaubssperre. Und dabei haben wir vom Fußvolk es noch relativ gut, müssen wir doch nur bei dem Tagesordnungspunkt Massenzusammenkunft der Angehörigen aller Fachbereiche des Hauses anwesend sein und uns Dinge anhören, die allenfalls einzelne Fachbereiche betreffen und mit dem der Rest der Anwesenden so absolut gar nichts anfangen kann.

Schlimmer sind da die Führungskräfte ab Ebene der Fachbereichsleiter dran. Die dürfen sich nämlich noch in kleiner Runde mit Jens-Rüdiger auseinandersetzen. Und dieser hat die Angewohnheit, selbst in den positivsten Aussagen noch etwas zu finden, was er mit scharfer, schneidender Stimme kritisieren kann. Und wenn mal etwas so gar nicht nach seinem Geschmack läuft, dann wird keinerlei Erklärung akzeptiert, die etwas mit äußeren Einflüssen zu tun hat. Es ist immer die Schuld der Mitarbeiter. Immer! Ausnahmslos! Selbst wenn wir in Sachen nicht weiterkommen, weil wir zum Beispiel auf einen richterlichen Beschluss warten müssen. Unsere Schuld. Wir haben dann eben den zuständigen Richter nicht im Griff.

Bei den letzten zwei Durchgängen hatte mich meine Intuition nicht im Stich gelassen. Der Herr Geschäftsführer kam, während ich Urlaub hatte. Und auch dieses Mal schien mir das Glück hold zu sein. Bis uns plötzlich eine Terminverschiebung bekanntgegeben wurde. Und der neue Termin sagte mir etwas. Etwas, was durchaus dazu geeignet erschien, in mir eine gewisse Besorgnis auszulösen. Ich öffnete die Datei mit den Urlaubsplanungen.

Ein an passender Stelle gesetztes Kreuz leuchtete mich an.

Der Ersatztermin fiel in Frl. Hasenclevers angemeldeten Urlaub. Ich würde sie also auch in der kleinen Runde der Führungskräfte vertreten müssen. Na danke vielmals.

Natürlich äußerte ich mein Missfallen über das mich erwartende Ungemach jedem, der es nicht hören wollte, um entsprechende Anteilnahme zu kassieren. So ein paar Streicheleinheiten tun auch mir mal gut, selbst wenn sie nur geheuchelt sein sollten. Bis mir dann Maria, die gute Seele des Hauses und quasi Frau Schuberts persönliche Assistentin, mir den aus ihrer Sicht bestehenden Grund für die Terminverschiebung mitteilte.

„Ja weißt du, an dem ursprünglichen Termin habe ich Urlaub. Und den konnte ich nicht absagen.“

„Na und?“

„Wer soll denn dann mittags für die hohen Herren Brötchen und Teilchen holen und Kaffee kochen, wenn ich nicht da bin? Na?“

Da sieht man wieder, wer im Haus wirklich wichtig ist.



Freitag, 19. Oktober 2018

Dienstag, 16. Oktober 2018

Fristablauf oder Der erste Geburtstag

Die zweitbeste Ehefrau von allen und ich haben unseren gemeinsamen Einkaufstag nach durchaus mehreren Gesichtspunkten ausgerichtet. Zunächst wäre da natürlich die Sache der Praktikabilität. Wir müssen beide die Zeit dazu haben. Das schließt den Montag schon mal kategorisch aus, denn da ist das Zeitfenster zwischen meinem frühest möglichen Feierabend und ihrem spätest möglichen Aufbruchtermin zum ersten Kurs doch sehr knapp bemessen. Tatsächlich sehen wir uns an vielen Montagen nur im Vorbeigehen oder gar nicht.

An Freitagen ist es nachmittags zu voll. Außerdem bleibe ich an Freitagen gerne länger im Büro, weil dann sehr früh bei den Kollegen Feierabendstimmung herrscht, die zum fluchtartigen Verlassen des Arbeitsplatzes führt und auch das ewig nervende Geräusch klingelnder Telefone ab mittags deutlich abnimmt. Es herrscht also eine himmlische Ruhe, sofern ich das Fenster geschlossen halte.

Samstage sind ausgeschlossen, weil ich lieber in der Frühe losziehe, während die zweitbeste Ehefrau von allen für die Belange dieser Welt im Regelfall noch nicht übertrieben empfänglich ist.

Von den verbleibenden Tagen ist der Donnerstag ideal. Donnerstag ist unser Beutetag. Als Beute definieren wir den zwar latent vorgesehenen aber doch ungeplanten Einkauf von Lebensmitteln, welche aufgrund des nahen Verfalldatums preisreduziert sind. Und hier ist nach unseren Erfahrungswerten der Donnerstag der Tag in der Woche mit der höchsten Ausbeute.

Wir sind durchaus – je nach Produkt mehr oder weniger - schmerzbefreit, was das Haltbarkeitsdatum angeht, sofern es sich um ein Mindesthaltbarkeitsdatum handelt. Solange etwas nicht verdorben riecht oder aussieht, ist es nicht verdorben. Bei Verbrauchsdaten sehen wir es aber auch nicht ganz so großzügig.

Dies führt schon mal dazu, daß wir insbesondere Milchprodukte wie Quark und Joghurt kaufen, welche aber nicht so zügig wie erhofft gegessen werden und dann über längere Zeit den Kühlschrank blockieren. Sehr ärgerlich.

Also habe ich mich aktuell daran begeben, ein paar Joghurts aus dem Kühlschrank, welche mir schon lange ein Dorn im Auge sind, ihrer vorgesehenen Bestimmung zuzuführen, nämlich der rein biologisch-ökologischen Umwandlung zu einer Vorstufe düngegeeigneter Fäkalprodukte mittels Durchführung meines höchsteigenen innerkörperlichen Verdauungsprozesses.

Ich öffnete den Joghurtbecher und nahm eine visuelle Untersuchung des Inhaltes vor. Keine Beanstandung. Geruchsprobe: ok. Geschmacksprobe: einwandfrei.

Später warf ich aus echtem Interesse einen Blick auf die leere Verpackung. Das Ding war seit über einem Jahr abgelaufen und nach Meinung immer noch zu vieler Zeitgenossen, welche der Meinung sind, daß die Sachen Schlag Mitternacht ab Ablauf des Mindeshaltbarkeitsdatums giftartige Züge annehmen, reif für den Müll.

Es wird mir immer unverständlich bleiben, aber die Diskussion ist müßig. Dennoch bin ich froh, daß sie in letzter Zeit verstärkt in der Öffentlichkeit geführt wird.

Ehrlich.



Freitag, 12. Oktober 2018

Mal namentlich gesagt

Es quietschte. Und das von einer Stelle, welche man auch unter beherztem Einsatz von WD-40 nicht dazu bringen könnte, dies zu unterlassen.

Trudi!

Wie mir ein vorsichtiger Blick über den oberen Rand meines Monitors bestätigte, hielt sie wieder ihr Smartphone in der Hand, das Display in Richtung Raissa zeigend.

„Ist der süüüüüß.“

„Ach guck mal, was er da wieder macht.“

Trudi hat vor einiger Zeit in einem noch relativ jungen Alter geomat. Oder gegroßmuttert, wem die Langfassung lieber ist. Stolz als ob sie ihn selbst produziert hätte zeigte sie regelmäßig Bilder ihres Enkels herum, obwohl ihre aktive, vorbereitende Beteiligung an der Sache nach vorsichtigen Schätzungen doch schon ein paar Jahrzehnte zurückliegen sollte.

„Paterfelis, willst du auch mal gucken?“

„Nö, muß nicht sein.“

Ich bin inzwischen durchaus in der Lage, unmissverständlich zu verdeutlichen, daß ich nicht unbedingt daran interessiert bin, mir alle möglichen Bilder, welche Personen aus meinem Umfeld geschossen haben, ansehen zu müssen.

„Der ist aber so niedlich.“

„Alle Babys sehen gleich aus.“ muffelte ich weiter. Und mein grundsätzliches Unwohlsein Kinder betreffend sollte sich herumgesprochen haben.

„Wieso Baby? Welpe! Wir haben einen neuen Hund. Frisch aus dem Tierheim.“

Ok, nicht so schlimm wie Kinder, und ich verhehle nicht, daß ich selber gerne auch einen Hund zusätzlich zur Katzenbande hätte, aber auch hier muß ich nicht zwingend Fotos sehen. Es genügt, wenn ich hin und wieder die Welt mit Bildern der Katzenbande beglücke. Katzencontent kommt schließlich immer gut an.

„Da, guck jetzt!“

Schwupps, hatte ich das Smartphone vor Augen.

„Ja.  Hund. Niedlich.“ merkte ich betont leidenschaftslos an.

„Was der für drollige Sachen macht. Und wie brav er ist.“

„Toll.“ Man kann dieses kurze Wort so betont gelangweilt aussprechen…

„Im Tierheim haben sie in Sam genannt. Aber so hieß unser alter Hund auch, das ging also überhaupt nicht.“

Jau, kann ich verstehen. Hin und wieder bekomme ich in meinen Akten mit, daß Eltern, die mal ein Kind verloren haben, einem später geborenen Kind den gleichen Namen geben, wie das verstorbene Kind ihn hatte. Das ist mir unbegreiflich. Ich möchte jetzt wirklich keine unangemessenen Vergleiche ziehen, aber für uns Tierhalter ist das schon durchaus ähnlich.

„Wir haben echt lange überlegt, wie er heißen soll. Bloß kein Allerweltsname.“

Da wurde mein Interesse doch ein wenig geweckt.

„Und, wie heißt er jetzt?“

Trudis Augen strahlten mich an.

„Schulze!“

Ähm, ja.




Dienstag, 9. Oktober 2018

Hach ja...

Während ich mitten in einem Vorgang vertieft war, suchte mich Frau Schubert auf.

„Herr Paterfelis, hätten sie mal eine Minute für mich Zeit?“

„Auch zwei, Frau Schubert.“

„Dann kommen Sie doch mal mit in mein Büro, ich habe da ein Problem in einer Akte.“

Hat sie garantiert nicht, denn dann hätte sie die Akte mitgebracht, wie sonst auch immer, wenn sie meine Erfahrungswerte oder Rechtskenntnisse anzapfen will. Also alles nur Tarnung. Es dürfte wohl eher um eine Personalie gehen. Ich erhob mich, damit wir gemeinsam zu ihrem in Indien gelegenen Büro marschieren konnten.

Auf dem Weg warf Frau Schubert einen Blick durch ein Fenster und seufzte – vermutlich um die Stille zu brechen – ein schlichtes „Hach ja…“.

„Genau, Frau Schubert. Immer positiv.“

„Wie sind Sie denn drauf? Sollte hier endlich mal jemand auf mich hören, wenn ich versuche, gute Stimmung zu verbreiten?“

„Oh, war ein Versehen. Kommt garantiert nicht mehr vor.“

Sie grinste nur. Ich grinste zurück.

Hoffentlich wird das jetzt nicht rufschädigend gegen mich verwendet.





Freitag, 5. Oktober 2018

Verlockungen

Katzen neigen dazu, sich auf und vor allen Dingen in alles zu setzen, was zur Verfügung steht. Legt ein Stück Papier auf den Boden, und ihr könnt sicher sein, daß bald möglichst eine Katze darauf Platz nimmt. Hinterlasst irgendwo einen offenen, leeren Schuhkarton, und er wird sofort in Besitz genommen. Es gibt aber auch andere passende Behältnisse.

Unsere Wanne ist meistens mit einer Holzplatte abgedeckt, weil wir sie aufgrund ihrer geringen Größe ohnehin kaum benutzen und man auf der Platte noch Dinge in Ablagen aufbewahren kann.

Wir wollten einem Übernachtungsgast - eine auswärtige ATS-Trainerin wurde mal wieder von uns beherbergt - die Gelegenheit geben, unsere Wanne im Mädchen-Bad zum Baden oder Duschen zu nutzen, ohne das Paterfelis-Bad im Souterrain aufsuchen zu müssen. Also haben wir die Wanne frei geräumt. Fantastischer Weise stand damit ein neuer Behälter zur Verfügung.


Es hätte ja was Verlockendes, jetzt den Wasserhahn...



Eine Wanne ist auch nur ein Riesenkarton.



Allerdings hatte ich das Gefühl, die Sache nicht ganz unbeschadet zu überleben. Also besser nicht. 😀



Mittwoch, 3. Oktober 2018

Vorstellungen, Staffel 3, Teil 10 - Die Zielgerade ist einspurig

Am nächsten Tag habe ich wieder einen Termin beim Lungenarzt. Die Auswertung der Untersuchungen vom Vortag sowie meines Nachtschlafes stehen an. Da die zweitbeste Ehefrau von allen für den Vormittag keinerlei eigenen Aktivitäten nachzugehen wünschte, unterliegt Balduin meiner Verfügungsbereitschaft.

In der Nähe der Praxis gibt es zahlreiche Parkplätze, jedoch nichts Kostenfreies. Hier am Neustädter Stadtrand sind die Parkgebühren jedoch recht moderat. Ich parke Balduin auf einem schattigen Plätzchen und beginne mit meinen Überlegungen. Man hat mir gesagt, ich möge in der Praxis zwischen 8.00 und 9.00 Uhr vorstellig werden. Ab 9.00 Uhr beginnt der reguläre Terminbetrieb. Das Parken ist hier bis 9.00 Uhr kostenlos, erst danach werden Parkgebühren verlangt. Zu meinem größten Bedauern erfolgt die Berechnung dieser Gebühren nicht – wie bei einem Parkhaus – nach der tatsächlich dort verbrachten Zeit, sondern mittels einer vorab großzügig zu erbringenden Schätzung hinsichtlich der möglichen Verweildauer, verbunden mit dem Ziehen eines Parkscheines.

Es ist 7.50 Uhr. Die Abläufe und insbesondere die Zielgenauigkeit der Terminverfolgung in der Praxis sind mir noch nicht sicher vertraut. Am Vortag lief alles zügig. Ich bin pünktlich drangekommen. Mir wurde eine bei Neupatienten übliche zweistündige Anwesenheitszeit in der Praxis angekündigt, welche man auch eingehalten bzw. knapp unterschritten hat. Doch aufgrund irgendwelcher Akutereignisse kann sich natürlich alles wieder verzögern. Wenn ich einmal meinen vorübergehenden Aufenthalt in der Praxis genommen habe, werde ich diese nicht um 9.00 Ihr zwecks Entrichtung der nun fälligen Parkgebühren verlassen. Das ist sicher. Also bauen wir eine Sicherheitsreserve ein.

Ich versuche zu ergründen, wie der Parkscheinautomat zu bedienen ist. Eine zweifelsfreie Beschreibung ist nicht angebracht. Eher finden sich einige Indizien. Zur Bestätigung der Parkzeit möge ich den mittleren Knopf drücken, zum Stornieren den unteren. Was ich mit dem oberen Knopf zu tun habe, weiß ich nicht. Außerdem fehlt mir der Hinweis, wie ich dem Gerät meine angedachte Parkzeit begreiflich machen soll. Ja, das ist eine Situation, in der sich Soziophobiker so richtig wohlfühlen. Nicht. Mich rettet der Umstand, daß um diese Uhrzeit noch wenig los ist und sich tatsächlich niemand in der Nähe befindet, welcher sich sonst noch für den Parkscheinautomaten interessiert. Was mir jetzt allerdings noch fehlen würde wäre ein Klugscheißer, der mich darauf aufmerksam macht, daß ich bis 9.00 Uhr kostenfrei parken könne und deswegen doch gar nichts mit dem Automaten zu schaffen habe.

Mit diesem ständig vorhandenen Hintergedanken experimentiere ich mit dem Automaten herum, bis ich eine Eingebung habe. Ich werfe eine Münze ein und sehe, was geschieht. Auf dem Display des Automaten gibt es eine Veränderung. Blöd ist nur, daß dieses Display aufgrund der Sonneneinstrahlung so gut wie gar nicht lesbar ist. Ich verrenke meinen Kopf, ändere den Sichtabstand zum Display in nahezu peinlicher Weise und erkenne eine angezeigte Parkzeitdauer. Bis kurz vor zehn habe ich nun Zeit. Schön, das sollte reichen. Ich bestätige per Knopfdruck und entnehme den gedruckten Parkschein.

In der Praxis weht wieder der Ventilatorensturm. Unter den für mich sichtbaren Geräten sind einige bekannte Korb- und Towerventilatoren, aber auch andere, optisch und somit vermutlich auch in der Funktionsweise interessante Geräte dabei. Ich nehme mir vor, bei Gelegenheit mal danach zu recherchieren.

Im Wartezimmer sind wir zu fünft. Ein unübersehbares Schild weist ausnehmend eindeutig darauf hin, daß man sein Handy hier auszuschalten hat. Für Analphabeten oder der Landessprache nicht mächtigen Patienten wurde dieses Schild derart gestaltet, daß keine schwierigen Worte zu erkennen und nachfolgend zu interpretieren sind. Nein, man hat sich um eine grafische Lösung bemüht. Das Bild zeigt ein Handy, welches mit einer klar erkennbaren diagonalen Linie durchgestrichen wurde.

Ich bin die einzige Person im Raum, welche sich nicht mit ihrem Smartphone beschäftigt.

Vielleicht habe ich auch etwas falsch gemacht, denn das Schild zeigt – wie erwähnt – ein Handy. Die anderen Menschen hier im Raum beschäftigen sich aber mit Smartphones. Das ist vermutlich der entscheidende Unterschied.

Dennoch beschließe ich, mein Smartphone ausgeschaltet in der Hosentasche zu belassen.

Nach kurzer Wartezeit holt mich Herr Professor Dr. Hassenichgesehen ab und geleitet mich ins Sprechzimmer. Alle meine Werte sind in Ordnung; die Lungenentzündung kann als erledigt betrachtet werden. Der Sauerstoffgehalt meines Blutes könnte etwas besser sein, befindet sich aber nicht in einem Bereich, welcher weitere Veranlassungen erfordert. Ist ja schon was, zumal die zusätzliche nächtliche Sauerstoffversorgung mittels des Sauerstoffkonzentrators immer noch nicht steht.

Vollkommen unbegreiflich ist dem Herrn Professor Dr. allerdings, daß ich in der Nacht gut durchgeschlafen habe. Ein kurzes, harmloses Schnarchen sei erkennbar,  aber keine flache Atmung oder Atemaussetzer. Ich verstehe jetzt sein Problem nicht, weil doch das Beatmungsgerät eben dafür Sorge tragen soll. Also sage ich etwas Belangloses in Richtung, daß es doch schön ist, so etwas zu hören.

Mein Gegenüber sinniert weiter vor sich hin, was denn da wohl im Krankenhaus geschehen sei, die hätten da ja ganz andere Ergebnisse gehabt. Nach deren Messungen hätte ich ja über 60 % der Messphase diese Aussetzer gehabt. Er kann sich das nicht erklären und beschließt, daß wir erst mal so weitermachen sollen. Im November möge ich nochmal zu einer Kontrollmessung vorbeikommen.

Ok, kein Problem. Ich vereinbare mit der entsprechenden Mitarbeiterin einen neuen Termin. Gerade als ich gehen will hechtet Herr Professor Dr. Hassenichgesehen an. Er hat die Lösung gefunden! Ich hätte ja schon mit der Schlafmaske geschlafen. Da müsse man ja erwarten, daß das alles so funktioniert. Damit hätten wir auch die Bestätigung, daß das Gerät richtig eingestellt ist. So brauche ist erst im Januar einen Kontrolltermin. Gut, also alles bei der Terminvergabe wieder auf Anfang. Blöd nur, daß ich zum ursprünglichen Termin ohnehin Urlaub gehabt hätte und für den neuen Termin wieder zwei Urlaubstage draufgehen werden. Aber ist ja egal, muß ja weg das Zeug, bevor es verfällt.

Die Mitarbeiterin macht mich darauf aufmerksam, daß ich bei dem Termin im Januar nicht mehr bei Professor Dr. Hassenichgesehen in Behandlung sein werde, weil er zum Jahreswechsel seine Kassenzulassung verlieren wird. Ab dann kümmert sich nur noch sein Praxiskollege um die Kassenpatienten. Ist mir auch egal. Ein besonderer Sympathieträger war der Herr Professor Dr. für mich ohnehin nicht, aber doch umgänglich. Der ärztliche Kollege ist ein jüngerer Typ, blond gefärbte Haare, leicht modernisierte Popper-Frisur, braun gebrannt, wirkt wie ein Surfer-Typ. Solche Typen habe ich gefressen. Egal, er bekommt seine Chance.

Und nun? Da ist ja noch was.

Wie es mit dem Fußleiden der zweitbesten Ehefrau von allen weitergeht, ist an dem Zeitpunkt, zu dem ich diesen Eintrag schreibe, noch offen. Sebastian folgt weiter seinem Verdacht. Und was der orthopädische Alt-Arzt anhand der noch anzufertigenden neuen Aufnahmen zu erkennen hofft, wird sich zeigen. Nach der nun doch schon sehr langen Einnahme entzündungshemmender Schmerzmittel kann die Theorie, daß eine Entzündung die Ursache allen Übels ist, wohl auch ausgeschlossen werden. Es wird Zeit, daß sich etwas tut, denn die zweitbeste Ehefrau von allen hat von der örtlichen Volkshochschule das Angebot bekommen, zwei weitere Kurse zu übernehmen. Keine Tanzkurse, sondern eher im klassischen Sport orientiert. Da wäre ein zumindest halbwegs genesener Fuß durchaus hilfreich.

Der Termin mit den Schwiegereltern, Yvonne und uns im Restaurant Zum kleinen Chinamann ist inzwischen auch erfolgreich erledigt worden. Die Temperaturen waren an diesem Tag weitgehend erträglich, haben aber immer noch zu Schweißausbrüchen geführt. Gelernt habe ich, daß man mitgeschleppte kleine Kinder heutzutage am Tisch während des gemeinsamen Essens mit Filmen versorgt, welche über mitgebrachte Tablets angeschaut werden können. Zwei Tablets für drei Kinder mit Mangas in durchaus vernehmlicher Lautstärke. Wir haben uns gefragt, wie wir früher Restaurantbesuche mit unseren Eltern so ganz ohne Ablenkung überlebt haben.

Es gab auch wieder eine jener vollkommen sinnfreien Diskussionen, nach der es meiner Schwiegermutter unverständlich ist, warum man den die armen Lämmer und die ebenso armen Känguruhs (Old-School, mit h) essen müssen. Natürlich blieb meine Gegenfrage, warum man denn dann die armen Rinder und die ebenso armen Schweine Ihrer Meinung nach bedenkenlos essen könne, unbeantwortet.

Meine Schwiegermutter hat die Planungen zur nachgeholten Hauptfeier anlässlich der Goldenen Hochzeit noch nicht zum Abschluss gebracht. Sie hat Yvonne gefragt, wie denn ihr Arbeitsplan so aussehe, weil sie doch zur Feier dabei sein solle. Hellauf entsetzt erklärte Yvonne, daß das doch wohl jetzt gerade geschehe und ihre Anwesenheit zur Hauptfeier doch wohl nicht erwartet werden würde. Dies aber, so meine Schwiegermutter, könne man dem armen Gustav doch nicht antun, der ja ansonsten außer seiner Frau dort niemanden kenne. Yvonnes Plan sah da irgendwie anders aus, und ich vermute, sie wird die nächsten Monate durcharbeiten müssen und absolut keine Zeit mehr finden, um an der Feier teilzunehmen. Gustav dürfte es kaum etwas ausmachen. Es sind genug Menschen da, die er mit seinem Müll zuquatschen kann. Es wird ihm vermutlich nichts ausmachen, daß er keinen davon kennt.

Meine Eltern sind wohl aus der Nummer raus. Seit dem meine Schwiegermutter damals ins Krankenhaus gekommen ist, gab es keinen Kontakt zwischen meinen Eltern und meinen Schwiegereltern mehr. Ich gehe davon aus, daß mal wieder vollkommen unterschiedliche Lebenseinstellungen, Wahrnehmungen von Situationen und Missverständnissen für das Kommunikationsloch verantwortlich sind. Die Familien werden nie zueinander finden. Aber das ist nicht mein Problem, und ich werde es auch nicht zu meinem machen.


Und damit endet die dritte und hoffentlich auch letzte Staffel der für meinen Geschmack in der Realität viel zu langen Serie Vorstellungen. Soweit sich aus den noch offenen Handlungssträngen etwas ergibt, werde ich berichten.



Dienstag, 2. Oktober 2018

Vorstellungen, Staffel 3, Teil 9 - Hitze, Sturm und ein Abfangkurs

Nun bin ich zwar nicht Eigentümer, aber doch Besitzer eines Beatmungsgerätes. Und nutzen kann ich es immer noch nicht. Die Mittelohrentzündung sorgt dafür, denn die Atemmaske muß schließlich irgendwie an mir befestigt werden. Die dazu vorgesehenen Bänder verlaufen ober- und unterhalb meines Ohres. Das ist schlecht, denn durch den Druck der Bänder wird der Schmerz verstärkt. Damit ist an Schlafen schon mal gleich gar nicht zu denken. Also vertagen wir den Test.

Am Samstag schließlich haben die Schmerzmittel endlich soweit gewirkt, daß ich es wagen kann, die Schlafmaske dann doch mal aufzusetzen und den Zauberkasten in Betrieb zu nehmen. Und was soll ich sagen? Selbst bei den horrenden Temperaturen ist es mir gelungen, etwas mehr als vier Stunden am Stück zu schlafen. Das Beatmungsgerät tut also seinen Zweck in einer mir zuträglichen Weise. Der große Aha-Effekt, der sich einstellen soll, weil man ja plötzlich wieder ordentlich schläft, bleibt allerdings aus. Dies wird sich auch in den nächsten Wochen nicht ändern. Vielleicht ein schleichender Prozess? Oder ist es den Tropennächten geschuldet, welche dafür Sorge tragen, daß der Schlaf vielleicht doch nicht ganz so erholsam ist? Ich werde die Sache beobachten. Irgendwann muß es einfach wieder kühler werden.

Der Überwachungstermin beim Lungenarzt steht an. Gegen neun Uhr morgens treibe ich mich in der Nähe seiner Praxis herum und bin schon ziemlich durchgeschwitzt. In der Praxis selber herrscht Sturmwarnung. Das Gebäude ist älteren Datums, es gibt weder Klima- noch Belüftungsanlage. Stattdessen scheint da jemand  irgendwo den kompletten Lagerbestand an Ventilatoren unterschiedlichster Bauart abgegriffen zu haben. Die Geräte laufen ausnahmslos auf Höchsttouren.

Herr Professor Dr. Hassenichgesehen ruft mich persönlich auf. Als Neupatient fragt er mich bestimmte Dinge ab, unter anderem auch meinen Beruf. Wieder einmal erlebe ich, daß ich bei Nennung meiner Berufsbezeichnung – ohne die zwingend dazugehörige Spezialisierung - bei einem Arzt den Hauch einer Unruhe bemerke. Auf Nachfrage nenne ich auch meinen Arbeitgeber sowie einige Details meines Zuständigkeitsbereiches, welches in meinem Gegenüber die Erkenntnis weckt, daß ich mit dem  Gesundheitswesen hier eher nichts zu tun habe. Ich verspüre eine gewisse Entspannung bei meinem Gegenüber. Erstaunt zeigt er sich allerdings darüber, daß ich bereits auf Veranlassung des Krankenhauses mit einem Beatmungsgerät versorgt wurde.

Die nächsten zwei Stunden verbringe ich ohne nennenswerte Wartezeiten in einem Parcours, der mir noch aus dem Krankenhaus vertraut vorkommt. Zunächst gibt es wieder ein heißes Öhrchen, gefolgt von der Blutabnahme. Dann geht es in den Glaskasten zur Lungenfunktionskontrolle. Danach unternehme ich einen Spaziergang zu einer nahe gelegenen radiologischen Praxis. Die Lunge bedarf noch einer aktuellen Röntgenaufnahme. Gerade durch den Orkan in der ärztlichen Praxis trockengelegt darf ich nun also draußen wieder die Schweißproduktion ankurbeln. Kaum zurück beim Lungenarzt bekomme ich ein mir ebenfalls aus dem Krankenhaus bekanntes Kontrollgerät in einem schicken Koffer ausgehändigt. Das Gerät soll meinen Nachtschlaf überwachen und wird an das Beatmungsgerät angeschlossen. Das schaffe ich. Die Mitarbeiterin stellt einige Fragen, unter anderem, wann ich heute ins Bett zu gehen gedenke und wie lange ich vorhabe, zu schlafen. Auf meine Aussage, daß ich höchst selten deutlich mehr als fünf Stunden schlafe, reagiert sie etwas irritiert und schreibt einen Zeitraum von acht Stunden auf.

Ein Blick zur Uhr sagt mir, daß die zweitbeste Ehefrau von allen in zehn Minuten ihren wöchentlichen Termin beim Physiotherapeuten hat. Der ist von hier aus fußläufig erreichbar. Da meine Motivation wieder mit dem Bus nach Hause zu fahren als eher gering einzustufen ist, begebe ich mich auf den Marsch zur dortigen Praxis, damit eine gemeinsame Heimfahrt mit dem Automobil ermöglicht werden kann. Nachdem ich gerade die Praxis des Lungenarztes verlassen habe, bleibe ich draußen stehen und schalte das Handy wieder ein, um eine entsprechende elektronische Benachrichtigung über meine diesbezüglichen Absichten an die zweitbeste Ehefrau von allen auf den Weg zu bringen. Der mobile Rechenautomat mit Nebenfunktionen ist noch nicht ganz hochgefahren, als ein durchaus bekanntes Auto neben mir hält. Die zweitbeste Ehefrau von allen hat mich zufällig auf dem Weg stehen sehen und zutreffend gefolgert, daß es meinem Begehr entsprechend würde, mitgenommen zu werden.

Direkt gegenüber von Sebastians physiotherapeutischer Praxis finde sich ein schattiger Parkplatz. Während die zweitbeste Ehefrau von allen in der Praxis verschwindet, machte ich mich auf den kurzen Weg zum örtlichen Sanitätshaus, um noch etwas zu regeln, und verlaufe mich auf dem Rückweg in eine hier noch relativ neue Bäckerei in der örtlichen Einkaufsstraße. Ein paar junge Leute versuchen scheinbar, ihr eigenes Konzept zu verwirklichen, weit ab von den Bäckereien der bekannten großen Filialbetriebe, von denen sich in der recht kurzen Einkaufsstraße mindestens schon sieben ausgebreitet haben.

Ich erstehe günstig eine vorgepackte, gemischte Tüten mit Backwaren vom Vortag, stelle etwas später fest, daß es in Balduins Blechkleid trotz des schattigen Parkplatzes eindeutig zu warm ist und beschließe, in Sebastians Wartezimmer das zu tun, wozu es da ist. Ich warte.

Nach erfolgreichem Absitzen der Wartezeit in der wirklich nur sehr relativen Kühle des Wartezimmers erscheint die zweitbeste Ehefrau von allen. Es ist 11.30 Uhr. Zeit für ein vorgezogenes Frühstück. Also geht es in die benachbarte Eisdiele.

Ich habe die Vorstellung, daß es endlich mal läuft.



Montag, 1. Oktober 2018

Vorstellungen, Staffel 3, Teil 8 - Der Fraggle, der kein Fraggle war

Am Mittwoch erscheint ein weiterer Katzenfels-Fraggle, um mal wieder einen Versuch zu starten, mich mit einem tauglichen Beatmungsgerät zu versorgen. Dieses Mal ist es ein älterer Außendienstler, vielleicht mein Jahrgang oder etwas mehr.

Der Fraggle holt aus seinen Koffern eine Tasche mit dem Beatmungsgerät raus. Schon die Tasche kommt mir sehr bekannt vor. Das Gerät auch. Ich erkenne es wieder. Es ist genau das Gerät, welches schon mal hier war.

Entgegen meiner sonstigen Art werde ich direkt etwas lauter.

„Wenn das das Gerät ist, das ich schon mal hier hatte, können Sie gleich wieder gehen!“

Der Fraggle bleibt ruhig, signalisiert durchaus die Bereitschaft, meinem Wunsch zu entsprechen, hinterfragt aber auch die Situation. Im Spiel Guter Bulle – Böser Bulle schildern die zweitbeste Ehefrau von allen und ich, was alles schon geschehen sei. Er merkt an, daß ihm das Gerät so in der Zentrale übergeben worden sei und er jetzt versuchen werde, das zu klären. Dennoch wirft er selbst einen Blick auf die Verordnung, stellt mit leichter Belustigung fest, daß die Krankenkasse dieser Verordnung niemals entsprechen werde und auch die dort beschriebene Atemmaske keinesfalls bewilligungsfähig sei. Aber er versuche, eine Lösung herbeizuführen. Was ja mal ganz was Neues ist. Ich beruhige mich langsam wieder, entschuldige mich dafür, daß ich ihn etwas härter angegangen sei und mir klar sei, daß er ja nichts dafür könne.

Ein Anruf in seiner Zentrale bestätigte, daß das Gerät tatsächlich irrtümlich ausgehändigt wurde und ein anderes vorgesehen war. Auch damit kann ich erst mal leben, denn es ist weiterhin Bewegung im Spiel.

Der Fraggle, der offensichtlich endlich mal kein Fraggle ist, erweist sich als Außendienst-Profi. Meine Atemnot ist auch ihm erst mal unerklärlich, denn auch nach seinem Bekunden sind die Geräte technisch baugleich. Es fehlen nur einige Extras, die ich wirklich nicht benötige (z. B. einen eingebauten Wecker), aber ansonsten seien die Leistungsmerkmale tatsächlich identisch. Nun beschäftigt er sich mit den einzustellenden Werten. Dabei stellt er fest, daß der Luftdruck, mit dem man mich versorgt wissen will, doch eine echte Ansage ist. Dabei wirft er mit einen Blick zu und stellt fest, daß ich ihm allerdings auch nicht wie jemand vorkomme, der nur einen halben Liter Lungenvolumen habe.

Die zweitbeste Ehefrau von allen erzählte, daß mein Lungenvolumen mit deutlich über sechs Litern wohl auch eher als überdurchschnittlich anzusehen sei. Dies ist die entscheidende Aussage!

Für den Außendienstler schloss sich das Bild. Es gäbe einen offensichtlichen Unterschied in den Geräten, der aber im Normalfall nichts ausmachen würde. Er sei auch nicht direkt technischer Natur, denn – wie gesagt – sind die technischen Spezifikationen identisch. Auch der aufzubauende Luftdruck sei kein Problem. Aber die Öffnung für die Luftansaugung sei bei dem vorliegenden Gerät deutlich kleiner als bei dem, welches verordnet wurde.

Mit anderen Worten: Wenn ich bei meinem Lungenvolumen einmal Luft hole, ist der Luftvorrat aufgebraucht. Das Gerät ist zwar technisch in der Lage, den notwendigen Luftdruck aufzubauen, benötigt dazu aber natürlich eine bestimmte Luftmasse. Diese kann aufgrund der kleineren Öffnung des anderen Gehäuses jedoch nicht in der erforderlichen Zeit eingesogen werden.

So einfach kann das sein.

Es gibt durchaus noch andere Geräte, welche über einen größeren Lufteinlass verfügen. Darunter ist auch ein Gerät, mit einem identischen Einlass, wie es auch das verordnete Gerät ausweist.

Ein nochmaliges Telefonat bestätigt, daß ein solches Gerät zur Verfügung stünde. Der Nicht-Fraggle erklärte sich bereit, am Ende seiner Tour das andere Gerät n der Zentrale abzuholen und dann nochmal am späten Nachmittag hier aufzuschlagen. Die neue Atemmaske würde er auch hier lassen und vergessen, daß er gehört habe, daß ich die andere schon hier hätte. Die bleibt dann einfach hier. Wobei er darauf hinweist, daß er die neue Atemmaske für angenehmer im Tragekomfort halte, aber das könne ich dann ja selbst testen. So verblieben wir in durchaus harmonischer Stimmung.

Nachdem der Nicht-Fraggle draußen war, schaut mich die zweitbeste Ehefrau von allen an.

„Es ist das erste Mal in den letzten zwanzig Jahren, daß ich erlebt habe, daß du laut geworden bist.“

„Ja, laut kann ich, wenn eine Grenze überschritten wurde. Außerdem erlebst du mich ja nicht im Büro. Da kommt das durchaus auch schon mal vor. Allerdings kann ich das nicht auf Kommando.“ 

Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an eine Situation, in der ich den alten Dr. Strebsinger durchaus mal unangemessen laut angegangen habe.

Abends kommt  der Nicht-Fraggle tatsächlich noch vorbei. Sein Feierabend war schon lange eingeläutet. Eine Aussage, welche aufgrund der mir bekannten Terminsetzungen durchaus zu glauben ist.

Er übergibt das Gerät. Dabei erfahren wir, daß wohl noch etwas anderes schief gegangen ist.

Nach dem Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Krankenkasse vor einigen Tagen hat diese tatsächlich die Versorgung mit dem im Krankenhaus verordneten Gerät bewilligt. Ohne weitere Voraussetzungen. Dies war dem Callcenter-Fraggle zum Zeitpunkt des zweiten Telefonates vermutlich noch nicht bekannt. Aufgrund des zweiten Telefonates wurde hiesigerseits bekanntlich das Einverständnis signalisiert, auch andere Geräte zu testen. Diese Absprache ging natürlich auch bei der Firma Katzenfels ein, so daß vorrangig die Versorgung mit Alternativgeräten zu testen sei, bevor das verordnete Gerät ausgehändigt werden könne.

Gut, das Ziel ist also auf jeden Fall erreicht, wenn auch in meiner Vorstellung allenfalls mit einigen Tagen Verzögerung. Doch darauf würde es mir nicht mehr ankommen.