Nein, wir sind nicht mehr bei Herrn Holzmann und seiner Affinität zu schweren Waffen. Es geht viel mehr mal wieder um die Verteidigung der Wohnhöhle.
Mittwoch hatte Einstein den letzten Einsatz des Bodenschleifgerätes zum wie angekündigt Abschluss gebracht. Am Donnerstag war am Vormittag Radau im Treppenhaus zu vernehmen. Nach Auskunft der zweitbesten Ehefrau von allen war Einstein damit beschäftigt, das Gerät durch das Treppenhaus nach draußen zu wuchten, was durch nur mäßigen Einsatz seines Geschickes wohl auf eher wenig elegante Weise geschah. Das Treppenhaus sah danach jedenfalls aus wie Sau. Unter aller Sau, um es genau zu sagen. Davon konnte ich mich selbstpersönlich überzeugen, als ich nachmittags nach Hause gekommen war.
Die zweitbeste Ehefrau von allen stand spürbar wieder kurz vor dem Platzen.
„Mal sehen, ob er den Dreck noch wegmacht. Wenn ich gleich höre, dass er das Haus verlässt und das hier immer noch so aussieht, renne ich hinterher und schnappe ihn mir.“
Ja, da möchte man nicht in der Haut des potentiellen Opfers stecken. Ist meine Angetraute doch in der Tendenz ansonsten eher pazifistisch eingestellt, hat sie mich im Zusammenhang mit den letzten Ereignissen doch wiederholt nach dem aktuellen Lagerort meines Baseballschlägers gefragt. Vermutlich würde ich mit etwas Glück gegenwärtig sogar meinem dauerhaft gehegten Wunsch nach einer benzinbetriebenen Kettensäge mit extra langem Blatt erfüllt bekommen, wenn ich diese nur sachgerecht zum Einsatz brächte – wobei sachgerecht zur Zeit ein durchaus dehnbarer Begriff sein dürfte.
Es wurde 20.00 Uhr. Wir hatten weder die Tür der über uns gelegenen Wohnung als auch die des Treppenhauses gehört. Allerdings vermochten wir uns auch beide nicht vorzustellen, dass sich Einstein immer noch vor Ort befände. Also begab ich mich in die Kälte, warf einen Blick in den zur Wohnung gehörenden Carport und durfte feststellen, dass sein dort sonst abgestellter Wagen und auch der Anhänger, mit dem er seine Gerätschaften transportierte, verschwunden waren. Also hat er sich doch geräuschlos aus dem Haus geschlichen, was ihm sonst zuvor noch nie gelungen war. Hinterlassen hat er dafür das Chaos im Treppenhaus.
Damit war der Punkt erreicht, an dem es keine Rückkehr mehr gibt. Der letzte Tropfen war gefallen; das Fass war übergelaufen. Ich begab mich an den Rechner und grub die Mailadresse des Investors aus, welcher die Wohnung über uns gekauft hatte. In einem längeren Text beschrieb ich die Zustände und bedauerte vor allen Dingen die mangelnde Kommunikation. Ich ließ durchblicken, dass das (nur vorgeschobene, denn ich mache das nicht) Arbeiten im Homeoffice (Erinnerung: Wir haben Pandemie und Lockdown, da könnte man ja mal von alleine darauf kommen, dass es Menschen gibt, die das machen) mit erforderlichen Telefonaten und Videokonferenzen spürbar mit dem ganzen Lärm erschwert sei und dass man bei vorherigem Bekanntsein der Arbeiten durchaus auch meinerseits einige zuvor vereinbarte Termine hätte verschieben können. Und selbst bei purer Freizeitgestaltung in der eigenen Wohnhöhle sei ein Verlassen derselben möglich gewesen, was im Lockdown jedoch so spontan nicht ganz so einfach wäre. Zumindest nicht, wenn man sich außerhalb über Stunden irgendwie beschäftigen müsse. Darüber hinaus bemängelte ich, dass mir weiterhin jeglicher Ansprechpartner in der Sache unbekannt sei, da ich ja noch nicht wisse, wer dafür verantwortlich zeichne – er als Eigentümer oder der mir weiterhin unbekannte neue Mieter. Auf jeden Fall aber würden wir die kurzfristige Beseitigung des hinterlassenen Drecks erwarten.
Da war Adrenalin im Blut, und durchaus am ganzen Leib zitternd schickte ich die Mail ab.
Freitags kam ich an frühen Nachmittag nach Hause. Die zweitbeste Ehefrau von allen zeigte sich planmäßig abwesend, so dass ich keine Zwischenmitteilung über eventuelle Ereignisse des Tages erhalten hatte. So öffnete ich die Haustür. Mich umschmeichelte ein frischer Zitrusduft und ein – überwiegend, aber nicht in allen Details – glänzendes Treppenhaus. Geht doch.
Auf dem Rechner fand ich die Antwortmail des Investors vor. Offenkundig schnell runtergetippt aber verbindlich in der Aussage und im angemessenen Tonfall und Ausdruck des Bedauerns.
Eine weitere Mail stammte von dem Inhaber des Handwerksbetriebes, welcher alle Schuld auf sich nahm, die Erfordernisse und Lage der obigen Arbeiten darstellte, die Reinigung in Aussicht stellte und die Planung der weiteren Arbeiten darstellte.
Sehr schön, warum nicht gleich so?!
Ich nutzte die Gelegenheit der Abwesenheit meiner Angetrauten, um endlich mal wieder einen männertauglichen amerikanischen Kulturfilm anzusehen, als es klingelte. In zuletzt gut geübter Praxis schwang ich mich zur Tür und öffnete. Vor mit stand ein mir unbekannter Typ, welcher mich mit einem freundlichen „Hallo“ grüßte und erwartungsvoll anstrahlte, also ob ich ihn kennen müsste. Meine interne Datenbank abrufend konnte ich das Gesicht aber nirgends einordnen. Schließlich stellte er sich als Herr Hassenichgesehen vor. Ja, der Name war irgendwo in meinem Gedächtnis als „Hast-du-schon-mal-gehört-ist-aber-nicht-wichtig“ abgelegt. Er fragte direkt weiter, ob ich seine Mail schon gelesen habe. Ach ja, der Inhaber des Handwerksbetriebs persönlich. Niemand, der aufgrund seiner ganzen Ausstrahlung bei mir Sympathien wecken könnte. Eher so ein leicht schmieriger Vertreter-Typ, allerdings ohne Anzug.
Er entschuldigte sich nochmals wortreich für die entstandenen Unannehmlichkeiten, gab den Inhalt seiner Mail nochmal in eigenen Worten wieder und überreichte mir als kleine Entschädigung eine Falsche Wein. Noch nicht mal ein schlechter oder billiger, wie eine spätere Ermittlung im Internet ergab. Die hatte er bestimmt noch von irgend einem Mallorca-Urlaub übrig, denn die Beschriftung des Etiketts war ausschließlich in spanischer und englischer Sprache. Gut, Thema an dieser Stelle auch erledigt.
Erneut widmete ich mich dem Studium amerikanischer Lebenskultur zu, als mich kurz vor der finalen Aussage des cineastischen Werkes erneut ein Türklingeln störte. Ich hatte kurz zuvor gehört, wie ein Auto in unsere Straße eingefahren war und mutmaßte, dass es sich um die heimkehrende zweitbeste Ehefrau von allen handelte. Sie hat so ein Gespür dafür, wann es sich am nachhaltigsten lohnt, mich bei meinen fernsehlichen Aktivitäten zu unterbrechen. Aber nein, vor der Tür stand eine Dame mittleren Alters, bei der es sich eindeutig nicht um die Angetraute handelte.
Sie stelle sich als die neue Nachbarin vor, deren Name ich natürlich sofort wieder vergaß. Um mir Dinge zu merken, muss ich sie lesen. Ist einfach so. Auch sie bedauerte die unschönen Umstände, entschuldigte sich mehrfach und hoffte auf eine gute Nachbarschaft. Klar, kein Problem. Solange wir miteinander reden, ist alles im grünen Bereich. Da sehen wir unsererseits keine Probleme. Sie fragte ich, ob ich denn heute Ruhe bei der Arbeit gehabt hätte – ein klarer Hinweis darauf, dass auch sie nicht zufällig geklingelt hatte, sondern ebenfalls vom Investor einen dezenten Hinweis auf ein sich anbahnendes Problem erhalten haben müsste. Also auch hier erst mal alles in Ordnung. Die Gelegenheit beim Schopfe packend warnte ich sie direkt vor, dass die zweitbeste Ehefrau von allen als Tanz- und Fitnesstrainerin während des Lockdowns den Unterricht für ihre Kurse aus dem heimischen Wohnzimmer online übertragen würde und es daher durchaus möglich wäre, dass an zwei oder drei Tagen in der Woche Musik nach oben schallen könne. Alles kein Problem. Jegliche andere Aussage hätte mich jetzt auch sehr befremdet.
Allerdings gab es von ihr keinen Wein. Macht nichts. Wein trinken wir ohnehin nicht.
Am Ende wird doch immer alles gut. Also manchmal zumindest.
AntwortenLöschenZumindest gibt es ein Licht. Die Bewährungsprobe steht noch aus.
Löschenso oder so...
AntwortenLöschenin jedem Fall aber bleibt es nervig und man darf gespannt sein wie sich das gegensetige Mitmitverhältnis weiter entwickelt, Respekt scheint endlich in der oberen Etage angekommen zu sein oder ists doch ein winzigkleiner Rest Kinderstube?...
oder war es doch etwas FURCHT etwas irgendwann auf die Mütze zu kriegen?
liebe Grüße
angelface
Innerhalb der nächsten zwei Wochen findet der Einzug statt. Harren wir der Dinge.
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