Freitag, 26. März 2021

Chingachgook im Schilfmeer

Nicht wenige meiner Kollegen befinden sich pandemiebedingt im Homeoffice oder in Telearbeit. Auf der Ebene jener, die auch befugt sind, wichtige Dinge zu veranlassen und zu unterschreiben, sind nur noch wenige regelmäßig an fünf Tagen in der Woche vor Ort. In meinem Fachbereich wäre das auf  Ebene der Sachbearbeiter – von meinen Urlaubsabwesenheiten abgesehen – nur ich.

Wir arbeiten inzwischen zwar mit der digitalen Akte, aber nicht alles lässt sich bei uns auch konsequent digitalisiert bearbeiten. Es gibt noch ein paar alte körperlich Restakten. Die sind nicht umsonst so alt. Dazu kommen auch alle Vorgänge, die mit monetären Rückständen unserer Kundschaft zu tun haben. Diese dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht in Bits und Bytes zerlegen, da hier zwingend Originalunterlagen wie zum Beispiel Postzustellungsurkunden oder gesiegelte Ausfertigungen von Forderungsbescheiden benötigt werden. Und diesen tatsächlichen Papierkram übernehme ich für die abwesenden Kollegen neben einiger weiterer von Frl. Hasenclever an mich übertragener Sonderaufgaben neben meinen normalen, im vollen Umfang weiter bestehenden Aktivitäten auch noch. Einsichtige Menschen im LASA behaupten, man müsse mich mehrfach klonen, um das noch bewältigen zu können. Und der Umstand, dass wir überwiegend digital arbeiten, verlangsamt die Abarbeitung der Dinge noch mehr. Da fliegen einem schon mal die Sachen um die Ohren, weil ja grundsätzlich alles eilig bis brandeilig ist, aber noch eiliger wäre natürlich genau der eine jetzt Ärger bereitende Vorgang gewesen, zu dem du nicht mehr gekommen bist. 

So telefonierte ich eines Tages mit einem der von uns beauftragten Gerichtsvollzieher. Der eigentliche Vollstreckungsauftrag habe ja noch der Herr Ökoklaus in die Wege geleitet. Doch der meinte wohl vorher zu dem Herrn Gerichtsvollzieher, dass die Akte nunmehr bei mir lagern würde und ich ihm als der letzte Mohikaner im Büro - zutreffender Weise - als Einziger dazu etwas sagen könne.

Letzter Mohikaner?

Im Moment komme ich mir eher vor wie der Pharao, über dem sich die Wellen des Schilfmeeres erbrechen.

Aber das interessiert ja keinen.



Donnerstag, 11. März 2021

Der Klinkenputzer

Tief in den Abgründen der Pandemie hat es sich unser Arbeitgeber nicht nehmen lassen, einen Klinkenputzer einzustellen. anzumieten, zu beauftragen. Der war sogar schneller da als ein Desinfektionsmittelspender. Auf letzteren mussten wir lockere vier Monate seit seit Beginn des ersten Lockdowns warten. Sein Name - also der des Klinkenputzers, nicht des Desinfektionsmittelspenders - ist Eugen. Eugen ist zwischenzeitlich 20 Jahre alt geworden. Seit Beginn des ersten Lockdowns wuselt er bei uns herum, reinigt die Stühle im Wartebereich unserer Außenstelle und wischt mindestens drei Mal täglich die Türklinken und Lichtschalter im ganzen Haus ab. In der Zeit zwischen seinen Rundgängen sitzt er in seinem Auto und wartet auf bessere Zeiten. Eine Tätigkeit für Menschen, die Vater und Mutter erschlagen haben, aber auch das muss gemacht werden. Besser als arbeitslos.

Das Abwischen der Türklinken und Lichtschalter auf unserer Etage erscheint mir mehr eine Beschäftigungstherapie zu sein denn ein sinnvoller Akt. Die Türen der Büroräume stehen meistens offen und auch die Lichtschalter werden nur einmal morgens und dann wieder abends betätigt. Bei den Toilettenräumen sieht das natürlich anders aus.

Woran aber, wenn ich mir den Schmierfilm mal näher betrachte, niemand gedacht hat, sind die Funktionselemente der Multifunktionsgeräte – jener Wundergeräte, die als Kopierer, Fax und Scanner gleichzeitig dienen und sich reger Beliebtheit erfreuen. Wenn man die einmal bei richtigem Lichteinfall gesehen hat, packt man die nie wieder an, sondern nutzt seine Befugnisse gnadenlos aus und schickt Auszubildende vor.

Wäre jedenfalls besser. Aber ich bin ja nicht so. Ich fasse ja - zwangsweise - auch Originalunterlagen an, die unsere Kundschaft uns mitunter einreicht und bei deren Ansicht man sich sofort Gummihandschuhe wünscht. Vielleicht hat die Digitalisierung doch was Gutes, denn jetzt muss im Regelfall die Scanstelle da durch.

Heute habe ich kein Foto für dich euch.

Seid dankbar dafür.



Montag, 8. März 2021

Es bricht mir ja fast das Herz, aber...

Die zweitbeste Ehefrau von allen und ich haben schon vor geraumer Zeit das Fitnessstudio gewechselt. Das Studio ist ein kleines, jahrzehntelang bestehendes Unternehmen und wird von Frauke und Friederike, Mutter und Tochter geführt. Daher rührt auch der Name: Eff-Eff. Die Geschichte hierzu erzähle ich ein anderes Mal. Natürlich ist man hier auch von der Schließung sehr getroffen.

Kurz nach der Bekanntgabe der letzten Beschlüsse hinsichtlich einer Öffnung aus dem Lockdown erreichte uns die Nachricht unseres Fitnessstudios:





Es bricht mir ja fast das Herz es sagen zu müssen, aber der Optimismus scheint mir zu früh zu sein. Mit einer baldigen Öffnung würde ich jedenfalls nicht rechnen, wenn ich mir die Entwicklung und Rahmenbedingungen so anschaue. Und selbst wenn eine Öffnung erfolgen sollte: In ein Fitnessstudio würde ich in nächster Zeit trotz aller Hygienekonzepte nicht zum Gerätetraining gehen. Zumindest nicht, bis ich geimpft bin.

Wir können das Eff-Eff nur unterstützen, indem wir monatlich weiter unseren Beitrag zahlen. Das verkraften wir. Von den Novemberhilfen haben die bislang (Stand Februar) noch keinen Cent gesehen. Die monatlichen Unkosten laufen in fünfstelliger Höhe weiter.

Ich hoffe, sie überstehen das.


Samstag, 6. März 2021

Und dann war da noch die Sache mit dem Kartoffelschäler

Tanja hatte natürlich nicht nur für Sven (theoretisch) und mich (praktisch) Frikadellen gebraten, sondern auch für den Eigenbedarf. Das reduzierte zwar den auf mich entfallenen Anteil, aber da will ich mal großzügig sein.

„Zu den Frikadellen wollte ich mir zu Hause auch noch Kartoffeln mit Möhren (Bäh! Anm. d. Red.) machen.“ wurde ich aufgeklärt. „Aber ich hatte keinen Kartoffelschäler. Also bin ich eben losgegangen und habe mir einen besorgt. Funktioniert hat das aber überhaupt nicht.“

Was schon irgendwie eine Kunst ist.

Haben Sie mal überlegt, die Kartoffeln mit Schale zu essen? Machen wir immer, sofern die Schale nicht so fies dick ist.“

„Ähm, da hätte man ja drauf kommen können. Oder sie kochen wie Pellkartoffeln, dann ginge das ja auch einfacher mit dem Schälen.“

Ja, für einen Plan B scheint mir das akzeptabel zu sein.

„Ich habe dann versucht, die Kartoffeln so wie meine Mutter das immer macht zu schälen. Mit dem kleinen Messer.“

Ein Pittermesser, wie man in meiner Heimat zu sagen pflegt. Ich ahne arges.

„Da ist bestimmt nur ein Viertel von den Kartoffeln übrig geblieben.“

Betrachten wir das mal als kleine stilistische Übertreibung Tanjas. Ich setzte auf die Hälfte.

„Dann bin ich noch zu meinen Eltern gefahren und habe meiner Mutter den Schäler überlassen. Wissen Sie, was die sagte?“

Ähm, nein. Aber ich bekomme Angst.

„Warum ich denn einen Spargelschäler gekauft habe?“

Was allerdings eher unpraktisch gewesen sein dürfte.

„Jetzt habe ich den alten Kartoffelschäler von meiner Mutter geschenkt bekommen. Die braucht ihn ja ohnehin nicht.“

Ende gut, alles gut.

Ist es nicht schön, wie sie langsam die Welt entdecken?!




Mittwoch, 3. März 2021

Frikadellen

Frikadellen, auch bezeichnet als Fleischklopse, Fleischpflanzerln, Buletten, Rundstücke oder Hackbällchen. Die Basis einer gesicherten Ernährungsgrundlage. Mein Lieblingsessen. Gut, eines meiner Lieblingsessen, aber im Falle einer spontan erforderlichen Auflistung einiger Beispiele aus besagter Kategorie doch immer ganz vorne mit dabei. Und auf jeden Fall zuerst genannt.

Tanja, meine Ex-Azubinette und nunmehrige ganz frische Co-Moderatorin Ausbilderin in unserem kleinen gemütlichen Büro inmitten der Stadt, hat ihre erste Wohnung bezogen. Sven und ich lagen ihr, wie zuvor schon ganzen Generationen von Auszubildenden, Anwärtern, Bachelor und auch ausgelernten Kollegen mit unserem penetranten Wunsch nach Frikadellen im Ohr. Und wie kann man die erste eigene Küche denn besser einweihen als mit der Zubereitung von Frikadellen für die Lieblingskollegen? Eben!

„Ich habe ja meistens für meine Eltern gekocht, als ich noch bei ihnen wohnte, aber Frikadellen habe ich noch nie gemacht.“

Ja, das ist traurig. Diese Worte musste ich schon seinerzeit von Frau Schlüter vernehmen, als sie ebenfalls ankündigte, die Produktion von Bürofrikadellen aufnehmen zu wollen.

„Aber ich trau mich jetzt daran.“

Eine sehr gute Entscheidung.

„Bevor ich die mitbringe, muss mein Vater aber probieren, ob die lecker sind.“

Ebenfalls nicht verkehrt. Man will ja kein Versuchskaninchen sein.

Der große Tag war gekommen. Sehr zum Leidwesen von Sven, denn der befand sich im Homeoffice und durfte nebenbei die Homeschooling-Aktivitäten seines Stiefsohnes überwachen, welchen er eher nur so semi-begeistert nachging. Da war dann nichts mit Büro-Frikadellen. Zumindest nicht für ihn. Um so mehr sollten dann für die wirklich Bedürftigen verbleiben. Also für mich. Dennoch ließ Tanja ihn per Telefon wissen, dass es solche heute geben würde. Mit der Folge, dass er sie fernmündlich in durchaus zutreffender Weise als Sadistin titulierte.

Pech. Warum vergnügt der Herr sich auch zu Hause, während ich jeden Tag den lebensgefährlichen Weg inmitten der Seuche auf mich nehme, um meine Präsenz im Büro wahrzunehmen? Kritische Infrastruktur, da kann kommen was wolle. Einer muss immer ran, um das Land am Laufen zu halten. Also ich. Und deswegen bekomme ich Frikadellen und Sven nicht. Vom Ökoklaus ganz zu schweigen, den ich im Laufe der letzten 13 Monate nur einmal gesehen habe, als er sein technisches Equipment für das Homeoffice abgeholt hat, seitdem als "die Stimme aus dem Telefon" auftritt und einige unserer neuen Kollegen noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat.

Doch zurück zu den wichtigen Dingen.

„Herr Paterfelis, Sven hat gerade gesagt, es gäbe viele Varianten, Frikadellen zuzubereiten. Es würde auch etwas ausmachen, ob man Schweinehack, Rinderhack oder Lammhack verwendet. Und es gäbe auch Leute, die würden Maggi in ihre Frikadellen tun.“

„Ja, von der Maggi-Variante habe ich auch schon  mal was mitbekommen. Wenn man es etwas kultivierter angeht, nimmt man aber statt Maggi besser Liebstöckel. Das hört sich mehr nach guter Küche an.“

Tanja und die Azubinette waren sich dahingehend einig, dass sie von Liebstöckel noch nie gehört hatten. Womit wir wieder bei der legendären Folge der Simpsons wären, in welcher Marge Simpson beim Einkaufen ein zu erwerbendes Regal mit Platz für acht Gewürze sieht und bemerkt, dass dann ja wohl einige doppelt da rein müssten. Homer baut ihr dann ein solches, wie ich es nicht hätte besser machen können.

Also erklärte ich, was Liebstöckel ist und zählte noch zahlreiche Variationen auf, in welcher sich Frikadellen anfertigen ließen. Es begann ganz profan mit der Ergänzung der Hackvarianten um Putenhack, dazu dann die Würzbasierungen a la Mama, also die Fertigwürzmischung aus der Tüte für Hackbraten aber auch auf Basis von Zwiebeltütensuppen Zwiebelsuppentüten Zwiebelsuppenpulver aus der Tüte, dann die Variationen mit eingeweichten Brötchen, Toast oder Paniermehl, mit Kräutern und Gewürzen wie Majoran und Petersilie, mit zuvor mit Himbeersauce mariniertem Hackfleisch, der Beimengung von Reis, Haferflocken oder Kichererbsen, der Nutzung von Tabasco, Liquid Smoke oder Teriyaki-Sauce und nach einigen weiteren Aus- und Einlassungen sowie Erklärungen, der Nutzung von Pfanne oder Backofen und schlussendlich auch der Verwendung von geriebenem Parmesan.

„Wozu dient denn der geriebene Parmesan?“

Dem Geschmack. Einfach nur dem Geschmack.“

„Sie und Sven könnten ja ein Frikadellen-Kochbuch schreiben.“

Diese voller wahrhaftiger Ehrfurcht ausgesprochenen Worte lassen sich natürlich zweifelsohne nur als zutreffend beschreiben. Doch gibt es dabei ein Problem.

Vermutlich, aber damit wird man nicht reich und berühmt. Also belassen wir es mal dabei.“

Gut, auf den Ruhm kann ich gut verzichten, besteht doch die Hauptintention meines Lebens immer noch im Kern darin, vom Rest der Welt in Ruhe gelassen zu werden. Mit potentiellem Reichtum hingegen könnte ich mich durchaus in gewisser Weise anfreunden. Zumindest aber würde ich mich nicht aktiv dagegen wehren.

Die Erstlingswerke wurden schließlich bei nächster Gelegenheit intensiv getestet und für gut befunden.













Etwas salzarm – typisch für die ersten Versuche – aber durchaus genießbar. Und immerhin nicht der Klassiker aus der Tüte. Obwohl ich auch diesen nicht verschmähe und hin und wieder mal zubereite. Manchmal brauche ich das auch.

Doch warum werden die Vielzahl der selbst gemachten Frikadellen in so einer kleinen Größe hergestellt? Ich bevorzuge schon größere Exemplare, angebraten bis kurz vor dem Verbrennen. Wegen der Röstaromen und dem Knuspergefühl auf der Zunge. Ihr wisst schon.

Hoffe ich jedenfalls.