Frikadellen, auch bezeichnet als Fleischklopse, Fleischpflanzerln,
Buletten, Rundstücke oder Hackbällchen. Die Basis einer gesicherten
Ernährungsgrundlage. Mein Lieblingsessen. Gut, eines meiner
Lieblingsessen, aber im Falle einer spontan erforderlichen Auflistung
einiger Beispiele aus besagter Kategorie doch immer ganz vorne mit
dabei. Und auf jeden Fall zuerst genannt.
Tanja, meine
Ex-Azubinette und nunmehrige ganz frische Co-Moderatorin
Ausbilderin in unserem kleinen gemütlichen Büro inmitten der Stadt,
hat ihre erste Wohnung bezogen. Sven und ich lagen ihr, wie zuvor
schon ganzen Generationen von Auszubildenden, Anwärtern, Bachelor
und auch ausgelernten Kollegen mit unserem penetranten Wunsch nach
Frikadellen im Ohr. Und wie kann man die erste eigene Küche denn
besser einweihen als mit der Zubereitung von Frikadellen für die
Lieblingskollegen? Eben!
„Ich habe ja
meistens für meine Eltern gekocht, als ich noch bei ihnen wohnte,
aber Frikadellen habe ich noch nie gemacht.“
Ja, das ist traurig.
Diese Worte musste ich schon seinerzeit von Frau Schlüter vernehmen, als sie ebenfalls ankündigte, die Produktion von Bürofrikadellen aufnehmen zu wollen.
„Aber ich trau
mich jetzt daran.“
Eine sehr gute
Entscheidung.
„Bevor ich die
mitbringe, muss mein Vater aber probieren, ob die lecker sind.“
Ebenfalls nicht
verkehrt. Man will ja kein Versuchskaninchen sein.
Der große Tag war
gekommen. Sehr zum Leidwesen von Sven, denn der befand sich im
Homeoffice und durfte nebenbei die Homeschooling-Aktivitäten seines
Stiefsohnes überwachen, welchen er eher nur so semi-begeistert
nachging. Da war dann nichts mit Büro-Frikadellen. Zumindest nicht
für ihn. Um so mehr sollten dann für die wirklich Bedürftigen
verbleiben. Also für mich. Dennoch ließ Tanja ihn per Telefon
wissen, dass es solche heute geben würde. Mit der Folge, dass er sie
fernmündlich in durchaus zutreffender Weise als Sadistin titulierte.
Pech. Warum vergnügt der Herr sich auch zu Hause, während ich jeden Tag den lebensgefährlichen Weg inmitten der Seuche auf mich nehme, um meine Präsenz im Büro wahrzunehmen? Kritische Infrastruktur, da kann kommen was wolle. Einer muss immer ran, um das Land am Laufen zu halten. Also ich. Und deswegen bekomme ich Frikadellen und Sven nicht. Vom Ökoklaus ganz zu schweigen, den ich im Laufe der letzten 13 Monate nur einmal gesehen habe, als er sein technisches Equipment für das Homeoffice abgeholt hat, seitdem als "die Stimme aus dem Telefon" auftritt und einige unserer neuen Kollegen noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat.
Doch zurück zu den wichtigen Dingen.
„Herr Paterfelis,
Sven hat gerade gesagt, es gäbe viele Varianten, Frikadellen
zuzubereiten. Es würde auch etwas ausmachen, ob man Schweinehack,
Rinderhack oder Lammhack verwendet. Und es gäbe auch Leute, die
würden Maggi in ihre Frikadellen tun.“
„Ja, von der
Maggi-Variante habe ich auch schon mal was mitbekommen. Wenn man es etwas
kultivierter angeht, nimmt man aber statt Maggi besser Liebstöckel.
Das hört sich mehr nach guter Küche an.“
Tanja und die
Azubinette waren sich dahingehend einig, dass sie von Liebstöckel
noch nie gehört hatten. Womit wir wieder bei der legendären Folge
der Simpsons wären, in welcher Marge Simpson beim Einkaufen ein zu
erwerbendes Regal mit Platz für acht Gewürze sieht und bemerkt,
dass dann ja wohl einige doppelt da rein müssten. Homer baut ihr dann ein solches, wie ich es nicht hätte besser machen können.
Also erklärte ich,
was Liebstöckel ist und zählte noch zahlreiche Variationen auf, in
welcher sich Frikadellen anfertigen ließen. Es begann ganz profan
mit der Ergänzung der Hackvarianten um Putenhack, dazu dann die
Würzbasierungen a la Mama, also die Fertigwürzmischung aus der Tüte
für Hackbraten aber auch auf Basis von Zwiebeltütensuppen
Zwiebelsuppentüten Zwiebelsuppenpulver aus der
Tüte, dann die Variationen mit eingeweichten Brötchen, Toast oder
Paniermehl, mit Kräutern und Gewürzen wie Majoran und Petersilie,
mit zuvor mit Himbeersauce mariniertem Hackfleisch, der Beimengung
von Reis, Haferflocken oder Kichererbsen, der Nutzung von Tabasco,
Liquid Smoke oder Teriyaki-Sauce und nach einigen weiteren Aus- und
Einlassungen sowie Erklärungen, der Nutzung von Pfanne oder Backofen
und schlussendlich auch der Verwendung von geriebenem Parmesan.
„Wozu dient denn
der geriebene Parmesan?“
„Dem Geschmack.
Einfach nur dem Geschmack.“
„Sie und Sven
könnten ja ein Frikadellen-Kochbuch schreiben.“
Diese voller
wahrhaftiger Ehrfurcht ausgesprochenen Worte lassen sich natürlich
zweifelsohne nur als zutreffend beschreiben. Doch gibt es dabei ein
Problem.
„Vermutlich,
aber damit wird man nicht reich und berühmt. Also belassen wir es
mal dabei.“
Gut, auf den Ruhm
kann ich gut verzichten, besteht doch die Hauptintention meines Lebens immer
noch im Kern darin, vom Rest der Welt in Ruhe gelassen zu
werden. Mit potentiellem Reichtum hingegen könnte ich mich durchaus
in gewisser Weise anfreunden. Zumindest aber würde ich mich nicht
aktiv dagegen wehren.
Die Erstlingswerke
wurden schließlich bei nächster Gelegenheit intensiv getestet und
für gut befunden.
Etwas salzarm –
typisch für die ersten Versuche – aber durchaus genießbar. Und
immerhin nicht der Klassiker aus der Tüte. Obwohl ich auch diesen
nicht verschmähe und hin und wieder mal zubereite. Manchmal brauche
ich das auch.
Doch warum werden
die Vielzahl der selbst gemachten Frikadellen in so einer kleinen
Größe hergestellt? Ich bevorzuge schon größere Exemplare,
angebraten bis kurz vor dem Verbrennen. Wegen der Röstaromen und dem
Knuspergefühl auf der Zunge. Ihr wisst schon.
Hoffe ich
jedenfalls.