Es trifft nicht nur mich, sondern auch andere.
Einmal im Jahr, um genau zu sein. Aktuelle statistische Evaluationen bestätigen
dies. Und das mit einer Fehlertoleranz von in etwa bis ziemlich genau Null. Man
könnte also behaupten, dies sei ein sehr präziser Wert. Und jetzt hat es Frl.
Hasenclever getroffen. Passiert eben. Da macht man nichts. Gar nichts. Einmal
damit angefangen, gibt es kein Entrinnen.
Geburtstag.
Dem Anlass entsprechend ließ sie es sich nicht
nehmen, in ihrer Kemenate eine große Schüssel mit Schokosüßkram aufzubauen.
Sogar Markenprodukte. Nicht das billige Zeug von Feinkost Albrecht oder dem
Schwarz-Markt, welches die Kollegen zu diesen und anderen Gelegenheiten zuweilen anschleppen. Der Tag zeigte eine gewisse Tendenz, gerettet zu sein. Zumindest
was die Versorgungsleistung angeht, denn Sven hielt es mal wieder nicht für
nötig, in seiner Mittagspause das Haus zu verlassen, um mich mit von ihm
sozusagen in der exotischen Welt außerhalb des LASA beschafften Nahrungsmitteln
zu erfreuen. Da mich zuweilen auch ein gewisses Hungergefühl beschleicht,
konnte ich mich mit dem Naschkram bei vorsichtiger Dosierung auch gut über
Wasser halten. Die erfahrenen Leser wissen ja, daß Süßkram bei mir derart im
Magen liegt, daß ich mit einer Tortendiät sogar abnehmen würde. Morgens ein
großes Stück Torte, und ich esse für den Rest des Tages garantiert nichts mehr,
bin aber auch von einer sich zwangsläufig aufbauenden Trägheit für alle anderen
sinnvollen und sinnfreien Tätigkeiten außer Gefecht gesetzt. Also mußte ich Maß
halten.
Doch es hatte sich auch ein zweites Fenster
mutmaßlicher Glückseligkeit aufgetan. Rebecca verkündete per elektronischem
Brief, daß sie Plätzchen gebacken hatte und uns zur allgemeinen Verkostung zu
sich bäte. Frau Schlüter, welche dieser Bitte mit einem wahren Feuereifer
bereits nachgekommen war, ergoss sich in unserem lauschigen Büro ob der
Qualität der Backwaren in höchsten, wenn nicht gar der Stimme geschuldeten
schrillsten Lobpreisungen. Ich würde also Rebeccas Ansinnen wohl auch
nachkommen. Doch zunächst suchte ich Frl. Hasenclever heim.
Wir besprachen, was es zu besprechen gab.
Selbstverständlich vergriff ich mich auch an der dort bereitliegenden
Wegzehrung, denn die Strecke zu Rebeccas Büro war weit. Ich schätze den reinen
Fußweg auf etwa sieben Meter. Vielleicht auch zehn. Da kann viel passieren.
Schon nahezu am Ende meiner Kräfte, nur
aufrecht gehalten von einem winzigen Schoko-Erdnuss-Karamelriegel, schleppte
ich mich bis an Rebeccas Tisch, an dem eine Plätzchendose meiner harrte. Ich
öffnete den Deckel und ließ mir aus purer Höflichkeit von Rebecca den Inhalt
erläutern. Letztendlich hatte mich Frau Schlüter ja schon bis ins letzte
Detail informiert. Ich entnahm dem Gefäß zwei kleine Kunstwerke und schaffte es
tatsächlich, den weiten Weg zur allgemein bekannten Kemenate zurückzulegen.
Hier füllte ich mit meiner selbst den Türrahmen auf, hielt die beiden Plätzchen
demonstrativ in die Höhe, und klärte Frl. Hasenclever über die Lage auf:
„Rebecca hat aber
selbst gebackenen Süßkram
mitgebracht. Nicht nur so einfach gekauftes wie Sie. Kaufen kann jeder, aber
backen muß man können.“
„Ja, ich weiß. Ich habe die E-Mail auch
gelesen. Aber ich werde mich auch noch an den Ofen stellen und etwas zaubern.
So geht das ja schließlich nicht. Ich dachte zuerst an meinen Kirschkuchen,
aber jetzt wird es wohl etwas anderes.“
Voller demonstrativer Verzückung biss ich in einen
Pistatzienkeks ein Pistazienplätzchen, welcher welches mit weißer
Schokolade überzogen war. So gestärkt führte mich mein Weg wieder zu Rebecca.
Ich grinste sie durch den Türrahmen an.
„Ich war bei Frl.
Hasenclever und habe von den Plätzchen geschwärmt.“
„Das ist schön.“
„Sie will jetzt
auch backen.“
Rebeccas Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
Ein bedrohliches Funkeln war zu erkennen. Ein Funkeln, wie es nur erfahrene
Ehemänner wahrzunehmen wissen. Ihre nächsten Worte sprach sie mit Bedacht, ja
geradezu mit gefährlich demonstrativer Ruhe.
„So so. Dann ist die Backschlacht jetzt also eröffnet.“
Yeah, Ziel erreicht. Die Mädels sind so
berechenbar. Jetzt muß ich es nur noch hinbekommen, das vorgesehene Ergebnis in
die richtige Bahn zu lenken. Vielleicht sollte ich Frl. Hasenclever mal darauf
aufmerksam machen, daß Rebecca unlängst einen fantastischen Zwiebelkuchen…
Ich bevorzuge übrigens die Variante mit
Mürbeteig.
Nur mal so am Rande.