Es gibt mindestens drei Termine im Jahr, vor denen ich regelmäßig eine Krise bekomme. Und alle drei fallen in diese Wochen. Neben der obligatorischen Kontrolle beim Haus- und beim Zahnarzt bleibt da noch der Zeitpunkt, zu dem es an die Steuererklärung geht. Da die zweitbeste Ehefrau von allen sich ja in selbständiger Art und Weise betätigt, ist es gut getan, sich zum Zweck der nicht mehr als unbedingt notwendigen finanziellen Unterstützung unseres staatlichen Gemeinwesens an einen Experten zu wenden.
Unser Experte ist eine Expertin. Frau Kaufmann ist ihres Zeichens Steuerberaterin und trägt zwei Herzen mit sich herum. Eines davon hat sie am rechten Fleck, das andere auf der Zunge. Letzteres, gepaart mit gelegentlichen Verwirrungszuständen, sorgen bei mir schon für ein verzweifelt-tragisch-komisches Ansteigen meines Blutdrucks, wenn ich sie nur auf unserem Anrufbeantworter höre.
Zwischen der Verabschiedung ihres gerade anwesenden Autoschraubers und dessen nochmaliger Rückkehr von draußen wurden wir wie üblich gefragt, ob uns nach einem Wässerchen oder Käffchen wäre. Unisono gaben wir dem Wässerchen den Vorzug. Nachdem der Autoschrauber erneut verschwunden war, verschwand auch Frau Kaufmann. Und zwar in die Küche, um sich etwas später wieder zu uns zu gesellen, nachdem ich den Bürohund, eine Seele von Mensch Kalb keineAhnungwelcheRasseabergroßundlanghaarig, ausgiebigst gestreichelt hatte, während meine Angetraute seinen ständig in der Schnauze getragenen Plüschweihnachtselch unablässig und zu seiner großen Freude bewunderte.
Frau Kaufmann brachte uns – zwei Tassen Kaffee.
Kaffee!
Tja.
Ist ja auch eine Form von Wasser, wenn auch stark verschmutztes.
Uäääääh!
Nun denn, während es so ans Eingemachte ging, versenkte ich Milch und Zucker in der braunen Brühe und leerte die Tasse nach angemessener Abkühlung unauffällig in wenigen, großen Schlucken. Da war ja nun
das zweite mal in meinem Leben, daß ich den Inhalt einer solchen Tasse in mir verstaut habe. Was man aus purer Höflichkeit nicht alles macht.
Meine Angetraute schaute, während Frau Kaufmann sich gerade in unseren Papieren versenkte, verzweifelt zu mir rüber. Tja, ich hatte es schon hinter mich gebracht. Und war sowohl nicht gewillt als auch nicht in der Lage, unauffällig die Tassen zu tauschen, um die ihrige auch noch zu leeren. Im Vorfeld des Leerens meiner Tasse hatte ich schon die Räumlichkeiten gesichtet und in unserer Nähe auch zwei größere Bodentöpfe mit Grünzeug gefunden, in welchen man den Kaffee vielleicht bei einer sich bietenden Gelegenheit…
Aber die Gelegenheit bot sich nicht. Der Autoschrauber klingelte nicht nochmal, Frau Kaufmann hatte auch nicht das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen oder andere Dinge außerhalb des Raumes zu erledigen. Sie hätte doch wenigstens mal zum Kopierer gehen können, oder? Aber nein. Statt dessen animierte sie uns mit der gastgebertypischen einladenden Bewegung, den kötzköstlichen Kaffee zu trinken.
Also musste meine Angetraute da jetzt alleine ran. Hat dann auch geklappt. Für sie war es das erste Mal, daß sie Kaffee getrunken hat, ohne ihn wieder auszuspucken. Was wohl aber auch nur etwas peinlich gewirkt hätte.
Ehrlich,
Helma, du liebst das Zeug? Gut, das kann ich als Aroma in irgendwelchen Backwaren ja noch akzeptieren. Auch den Geruch von Kaffeepulver empfinde ich ja als durchaus angenehm. Aber trinken? Eine Tasse auf einen Liter Milch ist ok, wenn man den Zucker nicht vergisst. Aber so?
Wir hoffen, jetzt wieder ein paar Jahre Ruhe zu haben.
Irgendwann jedenfalls waren die Sachfragen geklärt. Frau Kaufmann stieß noch auf das inzwischen noch neu angemeldete Gewerbe der zweitbesten Ehefrau von allen: dem Vertrieb von Nahrungsmittelergänzungen und Anti-Aging-Pflegeprodukten, wenn ich das alles richtig in Fachsprache übersetzt wiedergegeben habe. Im Selbsttest haben die Sachen bei meiner Angetrauten anscheinend in sehr beeindruckender Weise angeschlagen, und ehe man sich versah, waren die beiden Damen im hierzu in Verkaufsverhandlungen im Fachgespräch in einer zielführenden Plauderei verwickelt. In sehr anschaulicher Weise wurde seitens Frau Kaufmann die Stelle präsentiert, an der ihr gerade Falten zu schaffen machen. Der Ausschnitt ihres Oberteils rutschte entsprechend weit runter und… gut, ich habe genug gesehen.
Wo ist der Hund? Niemals da, wenn man ihn dringend zur Ablenkung benötigt.
Dabei hat er mir doch extra noch seinen Plüschweihnachtselch dagelassen.