Ein kleiner Fußmarsch am Morgen durch unser Hochgebirge schadet nicht, und nach Ankunft am Neustädter Hauptbahnhof zwingt mich die dortige Infrastruktur zu weiteren sportlichen Höchstleistungen, nämlich dem Treppensteigen. Auf meinem Weg vom Bahnsteig zur doch recht nah gelegenen LASA-Außenstelle sind mehrere Höhenwechsel vorzunehmen, zu deren Bewältigung ganz dem Service-Gedanken folgend Aufzüge und Rolltreppen installiert sind. Doch diese sind in schönster Regelmäßigkeit außer Betrieb. Gerade bei den Rolltreppen, derer ich ja noch einiger mehr als ich benötige ansichtig werde, habe ich das Gefühl, daß da ein bestimmtes, nicht mehr beschaffbares Teil kaputt ist, welche dann von der Wartungscrew des Bahnhofs jeden Tag durch ein aus einer anderen Rolltreppe ausgebauten Teils ersetzt wird. Immer schön der Reihe nach, damit jeder mal drankommt.
Ich war also mal wieder mit dem Zug unterwegs.
Die Nutzerfrequenz hat sich seit Inbetriebnahme des mir nächstgelegenen und
unlängst neu gebauten Haltepunktes Neustädter
Ländchen Süd schon deutlich erhöht. Ich darf sagen, dass ich nach Neubau
des hiesigen Haltepunktes der erste reguläre Fahrgast war, welcher ihn genutzt
hat. An dem Morgen, an dem der Regelbetrieb aufgenommen wurde, stand ich allein
auf dem Bahnsteig und war somit der erste und einzige Fahrgast, welcher
eingestiegen ist. Da auch niemand ausstieg, was zu dieser Uhrzeit auch höchst
verwunderlich gewesen wäre, denn wer will schon morgens gegen 5.30 Uhr etwas
auf einem mitten in einem Acker gelegenen Bahnhaltepunkt, außer da wegzukommen,
könnte man sagen, daß man extra für mich angehalten hat. Was ich sehr
freundlich vom Lokführer fand. Inzwischen warten wir an guten Tagen um diese
Uhrzeit zu zehnt auf dem Bahnsteig. Wenig genug, um im Zug auf jeden Fall noch
einen angenehmen Sitzplatz zu ergattern.
Meist herrscht eine angenehme Ruhe. Fast jeder
Passagier ist mit seinem Smartphone beschäftigt, aber Ohrhörern sei Dank
funktioniert das inzwischen geräuschlos. Nur gelegentlich unterhält man sich
mit jemanden, das auch noch von Angesicht zu Angesicht. Erschreckender Gedanke,
so eine persönliche Kommunikation, nicht wahr? Sehe ich auch so. Es ist aber auch
ziemlich verstörend, was für einen verbalen Dünnpfiff manch ein Zeitgenosse von
sich gibt. Und dann auch noch in einer Lautstärke wie im heimischen Wohnzimmer,
bei der man das Gelaber aus dem Fernseher noch übertönen muß. Eine leise Unterhaltung mitzubekommen ist zu dieser
Uhrzeit schon schlimm genug, und das offensichtlich nicht nur für mich. Aber da
muß man dann halt durch, und meistens herrscht ja auch Ruhe. Abgesehen von den
automatischen Ansagen der nächsten Station, dem entsetzlichen Gepiepe der sich
öffnenden und schließenden Türen sowie der unendlichen finalen Ansage vor
Einfahrt im Neustädter Hauptbahnhof, denn der ist Endpunkt der Bahnlinie und
man möchte doch irgendwie sicher sein, daß dies auch wirklich jeder mitbekommt
und niemand mit aufs Abstellgleis befördert wird.
An jenem fraglich Tag, um den es hier geht, herrschte
mit Ausnahme der geschilderten unvermeidbaren elektronischen Geräuschkulisse
Ruhe. Ein geschätzt Endzwanziger setzte sich in meinem Blickfeld auf einen
leeren Doppelplatz, stellte seinen mobilen Kaffee auf das dort zu diesem Zweck
bereitgehaltene Klapptischchen und begann, etwas aus seiner Tasche auszugraben.
Ich beobachtete die Sache nicht weiter und ging weiter meinen Gedanken nach.
Klick!
Klick!
Ein markantes Geräusch, dessen Entstehungsort…
Klick!
…von mir sofort ausfindig gemacht wurde. Es
war der Endzwanziger.
Klick!
Er hatte sich einen Nagelclip aus seiner
Tasche geholt und war dabei, seine Fingernägel zu bearbeiten. Die so amputierten
nutzlosen Reste…
Klick!
…seines Körpers fielen auf dem Boden.
Klick!
Und da blieben sie auch nach dem Aussteigen in
Neustadt. Eben so wie er es nicht geschafft hatte, seinen nunmehr leeren
Kaffeebecher in den noch ebenso leeren, unmittelbar neben ihm befindlichen
Müllbehälter zu befördern.
Pottsau!
Ich habe schon einiges beobachtet, was Leute
morgens im Zug machen, sogar bis hin zum Auftragen eines kompletten Gesichts-Make-ups
unter Zuhilfenahme des Smartphones als Spiegel. Aber das….
Kann man machen. Muß man aber nicht.
(Wobei mir dämmert, daß es so etwas schon mal
gab und ich es auch verbloggt haben könnte, aber ich finde den Eintrag gerade
nicht.)
Als moderner Mensch meldete ich meine
Beobachtung in Textform selbstverständlich via Smartphone der Welt, also der
zweitbesten Ehefrau von allen. Diese quittierte nach Kenntnisnahme des Textes
einige Stunden später, daß es ja wohl fast der Gipfel des Ekelhaften wäre. Die
Betonung liegt auf fast, denn
natürlich besteht auch hier die Möglichkeit, sich zu steigern.
Schließlich verfügt der Mensch auch noch über
Fußnägel.












